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AutorenbildSilvan Brun

12 von 12 ausgewählten Olivenölen aus dem Schweizer Lebensmitteleinzelhandel mit Fermentationsnoten! Derweil sollen über zwei Drittel der Olivenöle aus Deutschland fehlerfrei sein. Wie kann das sein?

Olivenöle im Test bei evoo ag (Bild: evoo ag)
Olivenöle im Test bei evoo ag (Bild: evoo ag)

«Olivenöl im Test - So schmeckt Klimawandel», titelte zum Frühlingsequinox 2024 Stiftung Warentest. Insgesamt 23 Olivenöle liess die Stiftung in ihrem Auftrag untersuchen. Vier davon trugen ausnahmsweise nicht die Bezeichnung "Natives Olivenöl extra", sondern lediglich "Olivenöl". Das ist - wenn man so will - die fünfte Güteklasse und besteht aus raffiniertem und nativem Olivenöl, oft im Verhältnis "1 Million Tropfen Raffinat zu 1 Tropfen nativem Olivenöl", dies deshalb, weil es gesetzlich keine Vorgabe darüber gibt, wie das Mischverhältnis im für die Konsumenten ungünstigsten Fall auszusehen hat.


Von 19 im Sensoriklabor für Stiftung Warentest geprüften Olivenölen sollen angeblich deren sechs die organoleptischen Kriterien für das Prädikat "nativ extra" nicht erfüllt haben. Das entspricht etwas weniger als einem Drittel. Stiftung Warentest schreibt zum Ergebnis: «Die Olivenöl-Qualität ist schlechter geworden, zeigt unser Test. Das dürfte auch an der Erderwärmung liegen. Nur 4 von 23 Ölen sind gut. [..]» DER SPIEGEL, der zum Testergebnis einen eigenen Artikel verfasste, steigerte die Dramatik mit den Worten «Qualität von Olivenöl ist drastisch gesunken.» Dass fast 68.5 Prozent der sensorisch getesteten Olivenöle gut sprich "Extra Vergine" sein sollen, müsste eigentlich ein Grund für einen Freudenschrei sein. Zumindest für die Deutschen.



Guten und weniger gute Olivenöle (Screenshot mdr) - evoo ag
Guten und weniger gute Olivenöle bei Stiftung Warentest (Screenshot mdr)


Wir Schweizer fragen uns nämlich: Kommt unser grosser Nachbar in den Genuss eines viel besseren Olivenölsortiments, als wir es in der Schweiz vorfinden? Erinnern wir uns an die grosse Olivenölstudie der International Olive Foundation aus dem Jahr 2019. Diese förderte damals zutage, dass 79 Prozent der als "extra vergine" gekennzeichneten Olivenöle in Tat und Wahrheit sensorisch fehlerhaft und / oder chemisch unzureichend waren. Der ehemalige Exekutiv-Präsident des weltgrössten Marken-Olivenöl-Abfüllers, Deoleo S.A., und Mitglied des Stiftungsrates von IOF, Pierluigi Tosato, gab für alle zu verstehen: «Die IOF-Studie zeigt deutlich, dass in der Olivenölindustrie radikale Veränderungen durchgeführt werden müssen. Die enttäuschenden 21% der ermittelten Proben, die nachweislich als natives Olivenöl extra gelten, stellen nach meiner Erfahrung die tatsächliche Produktionsmenge in den wichtigsten Olivenöl produzierenden Ländern dar.» Und weiter: «Die Produktion von echtem Extra Vergine Olivenöl erfordert einen gut überwachten Olivenanbau mit einer sehr frühen bis frühen Ernte gesunder Früchte sowie sehr strikte und auf Qualität ausgerichtete Produktionsverfahren. Korrekt umgesetzt führt das unter dem Strich zu einem relativ teuren Lebensmittel, insbesondere wenn wir es mit anderen Ölen pflanzlicher Herkunft vergleichen. Einem vom Markt diktierten hohen Preisdruck ausgesetzt bezahlen die Ölmühlen den Olivenbauern in aller Regel jedoch sehr niedrige Preise, so dass die Olivenbauern aus rein wirtschaftlichen Überlegungen kein Interesse haben, zugunsten qualitativ hochwertiger Oliven einen deutlich höheren und somit kostspieligeren Ernteaufwand zu betreiben. Das gipfelt darin, dass eine grosse Mehrheit des heute weltweit produzierten Olivenöls nicht von erster Güte ist. Auf unsere Marktsituation übertragen heisst das, dass wenn wir gegenüber den Verbrauchern ehrlich und transparent sein wollen, wir ihnen erklären müssen, dass echtes natives Olivenöl extra ein hochwertiges Lebensmittel mit vielen gesundheitlichen Vorteilen ist, für das sie bereit sein sollten, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Begleitend dazu ist es nur fair, wenn wir beginnen, den Grossteil des heute angebotenen Olivenöls als das zu bezeichnen, was es wirklich ist, nämlich natives Olivenöl oder einfacher ausgedrückt ‚Vergine‘. ‚Extra Vergine‘ ist und bleibt eine Seltenheit.»


Traut man dem von Stiftung Warentest publizierten Resultat, ist die Qualität "Extra Vergine" für in Deutschland angebotene Olivenöle keine Seltenheit, sondern die Regel. Mehr noch: Angeblich war die Qualitätsquote in früheren Jahren noch höher.


Was also führt zum vermeintlichen Qualitätsunterschied der in der Schweiz und in Deutschland angebotenen Olivenöle? Lassen Sie es mich so erklären: Es dürfte kaum relevante Qualitätsunterschiede für die hier in der Schweiz und die in Deutschland vermarkteten Olivenöle (nativ extra) geben. Vielmehr dürfte die unterschiedliche Fähigkeit der prüfenden Olivenölpanels mit den krass divergierenden Resultaten zu tun haben. Andreas März sagte mal: «Je besser der Verkoster, desto schlechter das Öl.» Und offenbar handelt es bei den Verkostern, welche die Olivenölproben für Stiftung Warentest verkostet haben, um schlechte Sensoriker.


Sieben von acht Olivenölpanels erkennen fehlerhaftes Olivenöl übrigens nicht, wie eine Arbeit von ZDF-WISO und International Olive Foundation im Frühjahr 2019 gezeigt hatte. Sie waren nicht in der Lage, ein Gemisch aus Lampenöl und nativem Olivenöl extra im Paneltest zu überführen und verliehen dem Muster das Prädikat "Extra Vergine". Dieses breite Versagen zeigt auf, dass die Panels in etwa gleich schlecht sind wie die durch sie zu prüfenden Olivenöle selbst.


Fermentationsnoten in 12 ausgewählten Olivenölen

Mitte März 2024 habe ich zwölf Olivenöle aus dem Schweizer Lebensmitteleinzelhandel beschafft und diese verkostet. Ich bewertete alle zwölf Öle als fehlerhaft. Sie waren nach meinem Dafürhalten in erster Linie stichig und schlammig, einige davon gar weinig. Zudem zeigten meinem Empfinden nach einige Öle deutliche Oxidationsnoten, weshalb ich sie als ranzig bewertete. Von diesen zwölf Ölen trugen zehn die Bezeichnung "nativ extra", zwei nur "nativ". Die allermeisten Produkte zählen zur Preiseinstiegskategorie. Einige sind eine Preisstufe darüber angesiedelt und zwei Produkte sind etwas teurer, wovon das teuerste Produkt rund 44 Franken pro Liter kostet.


Dieser primitive Test hat nicht den Anspruch, die Olivenölqualität im Schweizer Detailhandel belastbar zu widerspiegeln. Er hat - das schreibe ich aus juristischen Gründen (es gibt Marktteilnehmer, die einen mit Klagen eindecken wollen) - auch nicht den Anspruch korrekt zu sein. Aber im Zusammenhang mit dem eben publizierten Resultat von Stiftung Warentest kann er einen Hinweis darauf geben, dass bei letzterem etwas nicht stimmen dürfte.


Klimawandel?

Wer oder was trägt Schuld an qualitativ schlechten Olivenölen? Für die Macher von Stiftung Warentest ist es klar: In diesem Jahr ist es der Klimawandel. Er soll ursächlich sein für nicht schmeckende Olivenöle. Ich wage, das infrage zu stellen. Einerseits dürfte es sich bei den meisten von Stiftung Warentest zur Prüfung eingesendeten Olivenöle nämlich um Erzeugnisse aus der Vorjahreskampagne 2022/2023 oder um gar noch ältere Produkte gehandelt haben. Denn, ausgehend vom Publikationsdatum müssen wir die notwendige Zeit für das Verteilen des Magazins, das Drucken des Hefts, das Zusammenstellen des Artikels, das Prüfen der Resultate, die Olivenölprüfung, das Aufbereiten und Einsenden der Proben und das Beschaffen der Olivenöle berücksichtigen. So ist es ein Leichtes, mit etwas Erfahrung, wie der Olivenölmarkt funktioniert, schlussfolgern zu können, dass die meisten der geprüften Olivenöle - insbesondere aber die preisgünstigen - nicht aus in der Kampagne 2023/2024 geernteten Oliven stammen. Das dürfte auch erklären, warum das negative Attribut "ranzig" vom prüfenden Panel bei einigen Produkten deutlich herausgeschmeckt werden konnte. Das heisst mi also, dass die in der aktuellen Kampagne geernteten oder noch zu erntenden Früchte (in einigen Regionen werden immer noch Oliven vom Boden gekehrt) erst in den kommenden Wochen und Monaten in flüssiger Form in die Ladenregale der Händler gelangen werden.


Andererseits muss man verstehen, dass die Marktbedingungen, wie sie sind, es kaum zulassen, qualitativ ausreichende Olivenöle herzustellen. Das war in der Vergangenheit so und das ist auch aktuell so. Der Preis für Lampantöl ist aktuell vergleichsweise hoch und die Differenz zum Preis für Extra Vergine sehr gering, weshalb es für die meisten Bauern keinen Sinn macht, die grossen Aufwände, die sie für Extra Vergine zu leisten hätten (insb. Ernte vom Baum), auf sich zu nehmen.


Um mit den Worten Pierluigi Tosatos zu enden: «Extra Vergine ist und bleibt eine Seltenheit.»

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