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Die Picual-Olive. Die unbestrittene Königin des Olivenöls steht vor grossen Herausforderungen.


Schön aber zurzeit unrentabel - die Picual-Olivenhaine Jaéns (Bild: 123rf) - evoo.expert - beste Olivenöle kaufen
Schön aber zurzeit unrentabel - die Picual-Olivenhaine Jaéns (Bild: 123rf)

Das Mittelmeer – eine malerische Region, durchzogen von Geschichten, Traditionen und einer üppigen kulinarischen Vielfalt, die den Gaumen, das Herz und die Seele betört. In dieser prachtvollen Kulisse gehören die Olivenhaine mit ihren im Sonnenlicht silber-grün glitzernden Olivenbäumen zu den Hauptakteuren. Was wäre die mediterrane Landschaft ohne die von Menschenhand gepflegten Olivenbäume? Vielleicht immer noch eine mediterrane Landschaft, aber eine weitaus ärmere. Ohne diese ehrwürdigen Gestalten wäre diese von uns so geliebte Landschaft, wie ein Lied ohne Melodie, zwar schön, aber dennoch unvollständig. Es schwebt eine bedrückende Vorahnung am Horizont. Könnten künftige Generationen in eine Welt blicken, in der diese Olivenhaine nichts weiter als Legenden sind? Wo die jahrhundertealten Bäume, Zeugen von Zivilisationen und Kulturen, verschwunden sind? Es ist - zugegeben - ein herzzerreissender Gedanke. Aber tragischerweise ist die Gefahr real. Die Ursache? Unsere eigene Nachlässigkeit, unser Versäumnis, die Schätze, die uns anvertraut wurden, zu bewahren und - noch viel wichtiger - ihren wahren Wert zu kennen.


Die Provinz Jaén in Andalusien gleicht einem Gemälde – schier endlose Olivenhaine zeichnen das Bild einer zwar monotonen aber ebenso faszinierenden Landschaft. Sie ist das Herz der Picual-Olive, der weltweit am häufigsten angebauten Olivensorte. Jaéns Olivenanbau, der heute freilich auch weitere Olivensorten kennt, steuert je nach Erntekampagne gut einen Viertel zur gesamten Weltproduktion an Olivenöl bei. Kränkelt Jaéns Olivenanbau, spüren das die weiteren Erzeugerregionen und auch die Konsumenten weltweit.


Das Problem: Der Olivenanbau in Jaén kränkelt schon seit geraumer Zeit. In Jahren mit gutem Behang lassen die Ölkooperativen derart viel Öl produzieren, dass die Marktpreise für Olivenöl - weil man um die Handlung der Erzeuger weiss - schon im Vorfeld in die Tiefe stürzen. In Jahren, in welcher eine mengenmässig geringere Ernte in Aussicht steht, steigen die Preise an. Der Olivenölmarkt insgesamt - vor allen Dingen von den Entwicklungen in Jaén gesteuert - ist ein sehr volatiler. Was die Ökonomie in diesem Zusammenhang ausser Acht zu lassen scheint, ist die Tatsache, dass die Olivenbäume undulierend produktiv sind. Auf Jahre mit starkem Behang folgen Jahre mit weniger starkem Behang - selbst dann, wenn mehr oder weniger gleiche Umgebungsbedingungen herrschen. Die Marktspekulationen im Vorfeld einer Ernte - werde sie nun üppig oder dürftig erwartet, treiben die Preisspirale in entsprechende Richtung zusätzlich kräftig an.


Kommen nun nicht voraussehbare Wetterereignisse wie extreme Trockenheit, Frost, Hagel oder Regen hinzu - ganz gleich, ob diese natürlichen oder manipulativen Ursprungs sind -, beeinflussen diese das Ausbilden von Blüten und das Gedeihen von Oliven ebenfalls und teilweise in erheblichem Ausmass.


Der Tanz von Mutter Natur und Ökonomie

Man sagt so schön, dass die besten Dinge oft den Launen der Natur unterliegen. In der Welt des Olivenöls erleben die Provinz Jaén und mit ihr die Konsumenten von Olivenöl dies zurzeit auf bewegende Weise. Innerhalb nur eines Jahres hat sich der Grosshandelspreis für eine Tonne Picual-Olivenöl aus andalusischer Massenproduktion von 3900 € auf atemberaubende 8400 € mehr als verdoppelt. Das Zusammenspiel aus einer Minderernte 2022/2023, die gezeichnet war von den Kapriolen des Wetters, gefolgt von der Sorge um eine weitere schlechte Ernte 2023/2024, ebenfalls aus wettertechnischen Gründen, die - fürchtet man - dem künftigen Bedarf nicht gerecht werden könnte sowie weitere Marktspekulationen haben zu diesem grossen Preissprung beigetragen.


Weil auch in weiteren Anbaugebieten rund ums Mittelmeer Minderernten erwartet werden, lastet auf der Picual-Olive schon vor der Verarbeitung zu Öl viel Druck. Wird das aus ihr in der kommenden Ernte geförderte Öl ausreichen, um ein Austrocknen der Abnehmermärkte verhindern zu können? Ich meine, ja, es wird ausreichen. Nicht zuletzt aus dem einfachen Grund, weil die Menschen dieser Erde in den vergangenen Jahren nie so viel Olivenöl konsumierten, wie sie produziert haben.


Als die Olivenölsaison 2022/2023 ihre Schatten vorauswarf, lag in den dunklen Tanks der Ölkooperativen und -Abfüller der EU ein gewaltiges Geheimnis verborgen: 671'000 Tonnen nicht aufgebrauchtes und vergessenes Olivenöl aus der letzten Saison. Ein Erbe aus der Ernte 2021/2022. Ein Vermächtnis, das grösstenteils aus Jaén stammte. Diese gewaltige Menge repräsentierte ein monumentales Drittel der gesamten EU-weiten Produktion des Vorjahres und fast ein erschütterndes halbes Mass der aktuellen Saison 2022/2023.


Wenn man diese Mengen in greifbare Flüssigkeit umwandelt, sind wir bei atemberaubenden 732,5 Millionen Liter. Das ist genug, um die Schweiz - dieses kleine, stolze Land mit seinen 8,738 Millionen Seelen - für nicht weniger als ein halbes Jahrhundert in Olivenöl zu baden! Eine Vorstellung, die den Verstand sprengt: Jeder Einzelne, vom kleinsten Kind, das noch nicht einmal seine ersten Schritte macht, bis zum ältesten Weisen, der seine letzten Schritte möglicherweise bereits verlebt hat, müsste seinen Olivenölhunger auf unglaubliche 84 Liter pro Jahr steigern, nur um diesen gewaltigen Berg binnen zwölf Monaten erschöpfen zu können. Das ist wahrlich absurd.


Was sich im Ladenpreis nicht widerspiegelt, ist der wahre Wert

Der Grossmarktpreis verdankt sein launisches Auf-und-Ab einem kollektiven menschlichen Unbewusstsein über den wahren Wert des Lebensmittels Olivenöl. Hinter diesem Preis verbergen sich die Geschichten zahlreicher Bauern-Familien, die sich heute nicht einmal mehr sicher sein können, ob sie auf eine dürftige oder eine üppige Ernte hoffen sollen. Eigentlich wünschen sie sich nur einen angemessenen Preis für die von ihren Bäumen mit Hilfe ihres Zutuns hervorgebrachten Oliven. Mehr nicht. Denn das würde sicherstellen, dass die Tradition des familiären Olivenanbaus nicht weiter entehrt, sondern im Gegenteil wieder respektiert würde.


Unter dem heutigen Kostendruck, der von den Handelsketten auf die Abfüller oder direkt auf die Kooperativen ausgeübt und von diesen an die Olivenbauern weitergegeben wird, müssen letztere auf wesentliche Arbeiten im Olivenhain verzichten. In manchen Jahren reicht selbst das nicht aus, um die Saison einigermassen kostendeckend zum Abschluss bringen zu können. Der Baumschnitt und die Ernte gelten als die teuersten Feld-Operationen und müssen daher weiter vernachlässigt werden. Anstelle des Olivenpflückens werden die Oliven erst spät im Jahr oder in zahlreichen Fällen auch erst im folgenden Frühjahr maschinell vom Boden gekehrt. Die effektive Ölausbeute bleibt bei überreifen Früchten praktisch dieselbe wie bei gesunden vollreifen Früchten, während die relative Ölausbeute aufgrund des Feuchtigkeitsverlustes in überreifen Oliven steigt. Zudem sind auch die Transporte zur Ölmühle mit deutlich weniger schweren Früchten günstiger. Diese Handlungen münden in einem deutlich minderwertigeren Olivenöl.




Die Olivenbauern sind in diesem agroökonomischen Spiel der Irren gefangen.



Im Fall der Picual-Olive bedeutet das, dass ein Öl entsteht, dass die meisten von Ihnen sicherlich kennen dürften. Es erinnert im Geruch stark an Cassis, ist in der Nase stichig und nicht selten an Klärschlamm oder vollgemachte Windeln erinnernd - insbesondere am Gaumen. Das so aus der schrumpeligen und oft schon fauligen Picual-Olive produzierte Massenöl findet seinen Weg - oft aber längst nicht immer über italienische Abfüller - in die Supermarktregale nördlich der Alpen. Prominenten Beispiele sind die Eigenmarken-Olivenöle "Vergine" Prix-Garantie von Coop und "Vergine" M-budget von Migros. Aber auch bekannte Handelsnamen wie Filippo Berio Il Classico - ebenfalls bei Coop erhältlich - setzen auf Massenöl der Picual-Olive aus Jaén.


Im völligen Kontrast zu diesem müden und entjungferten Öl aus Jaén, welches sich nicht wenige Schweizer über ihren Salat giessen, stehen die grossen und stolzen Picual-Elixiere von Qualitätserzeugern wie Oro Bailén. Diese Öle wurden in höchster Handwerkskunst kostendeckend produziert und erfreuen die Erzeuger ebenso wie die Konsumenten. Es sind dies an Volumen reiche grünfruchtige Olivenöle, welche die Geschichten eines ganzen Olivenjahres in sich tragen und in einem einzigen Schluck mit Kraft und Fülle zum Ausdruck bringen.


Während man aktuell wegen der einer erwarteten Minderernte deutlich mehr für qualitativ minderwertige Picual-Öle aus dem Supermarkt bezahlt, muss man sich bewusst sein, dass die Olivenbauern kaum von diesen höheren Preisen profitieren werden und ihre Situation insgesamt dieselbe bleibt. Sie sind in diesem agroökonomischen Spiel der Irren gefangen. Versuchen sie doch, angesichts der herannahenden mengenmässig geringen Ernte, in Feld und Hof auf möglichst viele Kosten verursachende Faktoren zu verzichten, damit ihr Öl nicht noch teurer wird. Das wiederum führt abermals zu schlechterer Ölqualität. Der Konsum von Olivenöl wird folglich auch aus kulinarischen Gründen weiter abnehmen und so zum Katalysator des Problems werden.


Es bleibt ein einziger Ausweg: Schenken Sie der Königin der Olive etwas Respekt. Erkennen Sie den wahren Wert, der hinter dem Ladenpreis eines Olivenöls steckt. Lassen Sie die stichigen und muffigen Öle aus Supermarkt und Discounter links liegen und geben Sie sich den betörenden Elixieren hin, welche aus den unreifen Picual-Früchten gewonnen werden. Sie kosten zwar deutlich mehr, bringen aber auch mehr Genuss, sind nachweislich gesünder und ermöglichen darüber hinaus eine nachhaltige Olivenlandwirtschaft. Mit ihrem Durchschnittskonsum von unter 2 Litern pro Jahr können Sie sich diesen kleinen Luxus locker leisten.



Apropos: Premium-Öl aus Picual-Oliven

Neulich habe ich mit Roland Zanotelli, einem Schweizer Unternehmer, ein ausführliches Interview über sein Leben und seine Liebe zum Olivenöl geführt. In diesem Interview ging es auch um die in Empordà, Katalonien, heimische Olivensorte Argudell. Roland Zanotelli erzeugt auf seinem Olivengut Fontclara allerdings auch ein hochpotentes Öl aus Picual-Oliven. Probieren Sie's - hier geht's direkt zum Produkt auf unserem Webshop.





In diesem Sinne, weiterhin gute Unterhaltung und viel Spass mit evoo.expert.


Ihr,

Silvan Brun

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