Neben der Technik der Fermentation dienten auch Olivenöl und Salz zur Zeit der Römer als Konservierungsmittel. Kräuter, Käse, Fleisch - vieles blieb darin, in Tontöpfen gelagert - haltbar. Ein bis heute bestens bekanntes Beispiel dürfte der Pesto sein, auch wenn er in der Form, in welcher wir ihn kennen, erst 1863 zum ersten Mal schriftlich Erwähnung fand und somit höchstwahrscheinlich deutlich jünger ist als angenommen. Pesto ist "nichts anderes" als eine konservierungsfähige hocharomatische Kräutersauce. Und trotzdem, wir mögen sie am liebsten ganz frisch zubereitet.
Den besten Pesto alla genovese stellt man mit Leichtigkeit selber her. Viel braucht es dazu eigentlich nicht, wie uns Lucio Galletto und David Dale in ihrem Gemeinschaftswerk "Entlang der Küste" - Sieveking Verlag - bestätigen. Wie immer sind es hauptsächlich die Zutaten, die das Gericht ausmachen.
Nach dem Rezept Gallettos benötigen wir für das Folgende:
Einen Granitmörser mit Granit- oder Olivenholzstössel
90 g Basilikum (nur junge Blätter)
1 Knoblauchzehe
1 Prise Meersalz oder Fleur de Sel
1 EL italienische Pinienkerne
2 EL frisch geriebener Parmesan (24 Monate alt)
1 EL frisch geriebener milder Pecorino (jung)
60 ml natives Olivenöl extra (grünfruchtig, mit schöner Bitterkeit und Schärfe)
Die Zutaten werden von den Genovesern übrigens "sette nani", was so viel heisst wie "sieben Zwerge", genannt.
Und so wird der Pesto nach Galletto gemacht:
Die Basilikumblätter waschen und mit Küchenpapier oder einem frischen Küchentuch trocken tupfen. Dabei darauf achten, dass die Blätter nicht zerdrückt oder zerrissen werden. Sie verfärben sich sonst schwarz, und der Pesto schmeckt bitter. Den Knoblauch mit dem Meersalz im Mörser langsam zerreiben. Die Basilikumblätter dazugeben und alles mit kreisenden Bewegungen zermahlen. Das geht leichter, wenn Sie noch etwas mehr Meersalz hinzufügen. Sobald das Basilikum seine grüne Seele ausgeströmt hat, wie man in Ligurien zu sagen pflegt, die Pinienkerne hinzufügen und während einer Minute zerreiben. Zum Schluss den Käse und Olivenöl unterrühren, sodass eine Paste entsteht. Diese bereits herrlich duftende Paste in eine Schüssel füllen und das restliche Olivenöl einrühren.
Wenn Sie keinen Mörser haben, können Sie den Pesto im Mixer herstellen. Es ist sehr empfehlenswert, dabei auf die Verarbeitungstemperatur zu achten.
Ist der Pesto einmal fertig, kann man ihn zu Vielerlei reichen. Auf frischer Pasta ist er herrlich. Ebenso auf Brot, oder auf Frischkäse wie Burrata oder Mozzarella.
Mit den Köchen Manuel Santana und Philipp Tresch hat evoo.expert über den Pesto alla genovese geredet
Marta Mulli: Sieben Zutaten brauchen die Genoveser für ihren geliebten Pesto. Basilikum, Knoblauch, Meersalz, Pinienkerne, Parmesan, Pecorino, natives Olivenöl extra. Der Pesto wird im Mörser gemacht. Wie sieht dein Lieblingspesto aus, Manuel? Und vor allen Dingen, wie schmeckt er?
Manuel Santana: «Mein Lieblingspesto ist klar der Klassiker. Ich mag aber auch abgefahrene Versionen mit gänzlich anderen Zutaten wie Cashewnüssen und Bärlauch oder Knoblauchkraut und Chia. Ich probiere da gerne aus. Den Klassiker gibt's bei mir zu Hause eigentlich nur im Sommer und eine gewisse Zeit lang noch im Herbst, wenn der Basilikum ganz frisch ist und aus der Umgebung kommt. Das Öl, welches ich dafür verwende, darf logischerweise ebenso wenig alt sein - es muss frisch und grün riechen. Der Pesto schmeckt so, wie er aussieht: Frisch und grün mit viel Tiefe und Umami. Ja, er widerspiegelt für mich diesen schier perfekten Umami-Mix. Die unglaubliche Frische des Basilikums, der im Pesto seine in ihm enthaltenen ätherischen Öle freigesetzt hat, die Schärfe und die Schwefelverbindungen des Knoblauchs, die Bitterkeit und die pflanzlich grüne Note Olivenöls, das Nussige der Pinienkerne, die Süsse des gereiften Parmesans, das leicht Cremige des Pecorinos und das Salzige des Meeres.»
«Beim echten Italiener sollte stets das Original auf den Tisch kommen - aus Liebe und Respekt zur italienischen Küche.»
- Philipp Tresch
Philipp, wie machst du deinen Pesto?
Philipp Tresch: «Obwohl wir aus gänzlich anderer Richtung kommen, Manuel und ich, lieben wir beide den Pesto alla genovese. Er ist ein Klassiker der italienischen Küche. Allerdings ist es so, dass dieser - zumindest hierzulande - fast nirgends in jener Form gereicht wird, die seinem ehrwürdigen Namen gerecht werden könnte. Die Zutaten, das haben die Küchen dieser Welt ja gemeinsam, sind entscheidend für die Qualität des Gerichtes. Das hat heute für viele Küchen - inbesondere für die "Italiener", die in der Regel eben gar keine echten Italiener sind - aber keine so hohe Bedeutung mehr. Schuld daran sind das Verständnis für die Küche Italiens aber auch der Kostendruck. Für mich haben auch die uralten Rezepte einen gewissen Grad an Heiligkeit. So, wie Nonna es an die nächste und übernächste Generation weitergegeben hat: Eine Hand voll von dem, eine Prise von dem, ein paar Blätter von jenem, ein gutes Stück von diesem. Es ist nicht höflich, wenn man von diesen Rezepten abkehrt, nur, weil man das Gefühl hat, dem Gast unbedingt etwas Neues präsentieren zu müssen. Das ist bei der romanischen Carbonara, beim neapolitanischen Pizzateig und beim Pesto alla genovese genau gleich. Beim echten Italiener sollte stets das Original auf den Tisch kommen - aus Liebe und Respekt zur italienischen Küche.»
«Olivenöl sorgt dafür, dass das tomateneigene Lycopin vor dem durch die Hitze bedingten Zerfall geschützt wird und wir beim Essen mehr von diesem gesundheitlich wertvollen Stoff aufnehmen können. Das ist im weitesten Sinne Chemie. Und trotzdem, jede Nonna wusste das bereits kulturell-intuitiv.»
- Manuel Santana
Das verstehe ich, Philipp. Aber ist es nicht so, dass es einen reizt, Dinge auszuprobieren und dann, wenn es gut schmeckt, auch mal auf die Karte zu schreiben?
Philipp Tresch: «Doch, natürlich probiere auch ich viel aus. Zu Hause vor allen Dingen. Da probiere ich Sachen aus, die es so noch nicht gibt aber trotzdem immer noch den Bezug zur bodenständigen, ehrlichen italienischen Küche haben. Ich würde beispielsweise nie eine falsche Mozzarella machen, wie ich sie schon in anderen Küchen gesehen habe. Fetthaltige Milch immer wieder bis unter den Siedepunkt bringen, bis sich eine feine Haut bildet, die man dann wegsortieren und trocknen kann. Eine echte Mozzarella pürieren und diese in getrocknete Milchhaut spritzen. E c'è la mozzarella finta. So etwas mache ich nicht. »
Manuel, in deinen Rollen als Küchenchef und Stiftungsratsmitglied von IOF - International Olive Foundation hast du einen besonderen Bezug zum Olivenöl. Sag mal, welche Rolle spielt das Olivenöl für dich beim Pesto?
Manuel Santana: «Mein Bezug, ja meine Ansicht zu Fett bzw. zu Olivenöl hat sich in den letzten Jahren komplett revidiert. In meiner Lehrzeit wurde mir beigebracht, dass natives Olivenöl extra nur für kalte Anwendungen gedacht und “zum Glück” enorm lange haltbar sei. Heute weiss ich das besser, und habe gelernt, dass es auch beim Öl gleich ist wie bei den meisten herausragenden Lebensmitteln. Es entsteht bei passionierten Menschen, welche ihr ganzes Herzblut in ein herausragendes und wenn richtig gemacht auch unglaublich gesundes Produkt investieren. Olivenöl ist ein Würzmittel und nicht nur ein Stoff zum Braten oder zum Über-den-Salat-schütten. Die feinen Nuancen, welches ein sauber hergestelltes Öl mit seinen sekundären Pflanzenstoffen, welche sich unter anderem in ihrer Schärfe, Bitterkeit und Adstringenz zeigen und in extremen Fällen im Gaumen mehrere Stunden wie ein Feuerwerk nachhallen, haben eine andere Ordnungsstufe als die massenverarbeitete leider oft soft-deodorierte Intensivkulturscheisse. Ich habe solche "Ware" allzu lange verarbeiten müssen, ich weiss also genau, wovon ich rede. Heute verwende ich natives Olivenöl extra auch gerne zum Braten, denn laut sehr spannenden aktuellen Studien schützt sich ja richtiges Extra Vergine durch seine Antioxidantien selbst vor Oxidation. Und, beim Soffritto passieren ganz spannende Dinge, wenn ich da dann Tomaten hinzugebe und diese im heissen Olivenöl sautiere, sorge ich mit Olivenöl dafür, dass das tomateneigene Lycopin vor dem durch die Hitze bedingten Zerfall geschützt wird und wir beim Essen mehr von diesem gesundheitlich wertvollen Stoff aufnehmen können. Das ist im weitesten Sinne Chemie. Und trotzdem, jede Nonna wusste das bereits kulturell-intuitiv.»
Viele Leute glauben, ligurisches Olivenöl sei besonders mild. Gut, stimmt ja eigentlich auch, da das meiste falsch gewonnen wird. Aber, was ist in euren Augen nun besser, Pesto mit mildem oder mit rassigem Olivenöl?
Philipp Tresch: «In Goldfolie verpackte Olivenölflaschen versprechen in der Tat nichts Gutes. Irgendwie haben mir diese Öle nie geschmeckt. Ich empfand sie immer als ranzig und stinkig. Irgendwie auch leicht süsslich. Damit konnte ich nichts anfangen, habe mich aber immer gefragt, warum das eine Delikatesse sein sollte. Vor fünf Jahren lichtete sich das Geheimnis, als ich in die Olivenölschule geschickt wurde. Deshalb kann ich heute aus kulinarischer und technischer Sicht sagen, dass rassiges Olivenöl, solches mit Schärfe und etwas Bitterkeit sich für den Pesto natürlich viel besser eignet als ranziges, fettiges Öl. Und, überhaupt muss ich hier für das ligurische Olivenöl eine Lanze brechen. Gut gemacht, ist das Öl der Taggiasca-Olive sensationell. Es ähnelt dem Öl der Frantoio-Olive, mit welchem ich sehr häufig arbeite, die Oliven sind genotypisch gar verwandt miteinander.»
Manuel Santana: «Ich kann mich dem, was Philipp sagt, nur anschliessen. Erklären kann man es aus geschmacklicher und küchentechnischer Sicht vielleicht so, dass ja in dem Pesto sehr geschmacksintensive Lebensmittel verarbeitet werden. Ich denke da an den Basilikum mit seinen starken ätherischen Ölen, den gereiften Parmesan, den Knoblauch. Da braucht es ein Olivenöl mit viel Power. Ansonsten geht es unter. Dabei geht es doch darum, dass diese geschmackliche Komposition, die sich durch das Zerreiben der verschiedenen Zutaten ergibt, dank dem Olivenöl auf das nächst höhere Level getragen und so noch intensiver wird. Ich persönlich verwende also Olivenöle, welche sofort frisch nach der Ernte verarbeitet wurden. Ich erachte in diesem Zusammenhang Öle wie die von Eric Martin oder von Giorgio Franci als viel spannender als auf Harmoniebedürftikeit getrimmte Massenware. Richtig gutes Olivenöl im Pesto - das gibt Geschmacksdimensionen welche den Meisten unbekannt sind!»
«Nur Basilikum aus Pra'.»
- Philipp Tresch
Manuel, was ist übrigens mit dem griechischen Basilikum, arbeitest du üblicherweise auch mit dem? Auch für Pesto?
Manuel Santana: «Wie auch bei der Auswahl des Öls mag ich persönlich auch beim Basilikum eher schärfere Sorten wie der griechische bzw. kleinblättrige Basilikum besser als der ansonsten oft im Gewächshaus gezüchtete Basilikum. Bereits die Griechen nannten ihren Basilikum “königlich”, weil das Gaumenfeuerwerk, welches damit gezündet wird, bestens zu einer dezenten Pasta passt, die ja etwas Unterstützung braucht um sich in unseren sensorischen Äther zu brennen.»
Saisonalität, Regionalität und Geschichte sind für euch wichtige Pfeiler, wenn ihr Menus schreibt und kocht. Was bedeutet das für euch auf den Pesto alla genovese bezogen? Nur Basilikum aus Pra' oder wie müssen wir und das vorstellen?
Philipp Tresch: «Nur Basilikum aus Pra'. [lacht herzhaft]»
Manuel Santana: «Du bist ein Scherzkeks, Philipp. In der Gastronomie verarbeite ich heute am liebsten Basilikum aus der Region, und nur im Sommer, in grossen Mengen mit nativen Olivenöl extra und Salz im Mixer zu einem Basis-Pesto, welcher dann im Tiefkühler auf seine Weiterverarbeitung im Mörser zum richtigen Pesto alla genovese wartet oder eben auch als Geschmacksgeber für Tomatensauce oder Suppen dient. Die Regionalität ist mir persönlich wichtig. Somit muss ich auf den Basilikum aus Pra' verzichten [lacht]. Denn was die Meisten nicht wissen, ist das der grosse Teil des Basilikums, welcher man heute in der Gastronomie oder im Detailhandel kauft, im Winter aus Israel kommt. Diese unnötigen Wege verhindere ich mit der Konservierung. Aber klar, würd'ich in Pra' leben, würd'ich den natürlich gern verwenden.»
Ach, Philipp. Wer ist eigentlich das Schneewittchen??
Philipp Tresch: «Der Pizzabäcker. Keine Frage [lacht]. Er hat schwarze Haare, eine vom Mehl weiss gepuderte Nase und wegen des heissen Pizzaofens rote Wangen.»
Philipp und Manuel, ich danke euch fürs Gespräch.
Weiterführende Links und Informationen
zum Sieveking Verlag
Ausgezeichnet mit dem swiss gourmet book award 2019
Autor Lucio Galletto, David Dale
Fotograf Bree Hutchins
Übersetzer Marianne Harms-Nicolai, Barbara Holle
Info 21 x 26 cm, 288 Seiten, 136 Abbildungen
Ausstattung Hardcover
ISBN 978-3-944874-79-1
zu Manuel Santana
zu Philipp Tresch
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