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AutorenbildSilvan Brun

Von Emmentaler, Extra Vergine und schwedischen Gardinen.

Aktualisiert: 22. Mai 2020



Heute erregte eine Berichterstattung auf 20min.ch meine Aufmerksamkeit. Das Kreisgericht See-Gaster verurteilte 2017 einen Käser zu einer Haftstrafe von drei Jahren, der unter anderem Käse als Emmentaler verkauft hatte, welcher gar kein Emmentaler war. Die Hälfte davon soll der Etikettenschwindler absitzen. Der Verurteilte fordert vor dem St. Galler Kantonsgericht nun allerdings einen Freispruch.


Einem Serienbetrüger das Handwerk zu legen und ihn für seine Untaten einzusperren, finde ich richtig. Was beim Käseschwindel offenbar funktioniert, ist beim Olivenölbetrug allerdings undenkbar. Hier spricht man in aller Regel und in aller Milde lediglich von "Etikettenschwindel". Drin in der mit "Extra Vergine" gekennzeichneten Flasche ist in den meisten Fällen ja immerhin noch Olivenöl. In wenigen Fällen etwas Samenöl. Und in noch weniger Fällen gar kein Tropfen Olivenöl. Was soll's? Alles halb so schlimm.


Etikettenschwindel = Betrug

Etikettenschwindel, Täuschung und Betrug, sie alle meinen Dasselbe, drücken vom Gefühl her aber etwas anderes aus. Etikettenschwindel tönt harmloser als Täuschung. Und Täuschung hört sich weniger schlimm an als Betrug.


Trotzdem, der Hintergrund eines solchen Deliktes ist in den meisten Fällen die Maximierung von Gewinnen oder das Ausgleichen von Verlusten. In Kauf nimmt man dabei ganz bewusst, dass die Abnehmer nicht nur einen finanziellen, sondern in einigen Fällen auch einen enormen Reputationsschaden mit unvorhersehbaren Folgen erleiden können. Beim Betrug mit Käse scheint mir das nicht anders zu sein als beim Betrug mit Olivenöl.


Und trotzdem, das meistgefälschte Lebensmittel Europas schafft es aus unerklärlichen Gründen partout nicht in den Fokus der Behörden. Etikettenschwindel, ja Betrug, wenn wir das Kind beim Namen nennen, ist in der Olivenölbranche an der Tagesordnung. Die Geprellten sind Konsumenten und Olivenbauern. Dabei verteilt sich die "kriminelle Energie" auf Produzenten und Händler gleichermassen, wobei man sagen muss, dass nicht jeder Olivenölproduzent, nicht jeder Olivenölabfüller und auch nicht jeder Olivenölhändler ein Betrüger ist.


Wo Produzenten und Abfüller für die Produktqualität der Produkte, die sie verkaufen, verantwortlich sind, sind es die Händler, die ihrerseits in der Pflicht stehen, den Konsumenten nur "gesetzeskonforme" Produkte abzugeben. In der Schweiz wird die Selbstkontrollpflicht unter Art. 26 Abs. 1-4 LMG (Lebensmittelgesetz) wie folgt definiert: «1 Wer Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände herstellt, behandelt, lagert, transportiert, in Verkehr bringt, ein-, aus- oder durchführt, muss dafür sorgen, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Er oder sie ist zur Selbstkontrolle verpflichtet. 2 Die amtliche Kontrolle entbindet nicht von der Pflicht zur Selbstkontrolle. 3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der Selbstkontrolle und ihrer Dokumentation. Für Kleinstbetriebe sieht er eine erleichterte Selbstkontrolle und eine erleichterte schriftliche Dokumentation vor. 4 Er kann Anforderungen an die Fachkenntnisse von Personen festlegen, die für die Selbstkontrolle verantwortlich sind.»


Selbstkontrolle funktioniert nur unzureichend

Die gemeinnützige Stiftung IOF - International Olive Foundation hatte im Februar 2020 die Ergebnisse ihrer grossen Studie zur Olivenölqualität im Schweizer Detailhandel veröffentlicht. Lediglich 21 % der als Extra Vergine ausgegebenen Olivenöle hatten demnach die gesetzlichen Anforderungen an Extra Vergine Olivenöle erfüllt. Und, einen Viertel der getesteten Öle hätten die Händler gar nicht mehr an die Konsumenten abgeben dürfen - sie wurden als Lampantöle klassifiziert. Ein klarer Fall für die Lebensmittelhüter. Ein klares Anzeichen dafür, dass mit dem Olivenöl in den Schweizer Läden nicht alles in Butter ist.




«Migros. Systemrelevant für das Überleben eines TV-Senders.»

- Dr. Luzart, gegenüber der Zentralschweizer Tafelrunde




Von den Behörden, welche IOF im Nachgang der Studienveröffentlichung kontaktiert hatte, gab es bislang offenbar keinerlei Reaktion. Wegen Corona? Womöglich. Allerdings gilt es, festzuhalten, dass die Behörden dem Problemkind Olivenöl seit Jahren keinerlei Beachtung schenken. Nichts Neues also. Mit Corona hat die Untätigkeit der "Lebensmitteler" also kaum zu tun. Und, es ist auch bekannt, dass die Bundesbehörden einerseits die Verantwortung den Kantonen zuschieben, diese andererseits den Ball an die Inverkehrbringer weiterspielen. Jeder Kanton kontrolliere in Stichproben jährlich Olivenöle, und überwache die Umsetzung von Beanstandungen, sagte Silvio Arpagaus, Kantonschemiker des Kantons Luzern gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» im Februar dieses Jahres. Und weiter, weitere Kontrollen seien eine Frage der Ressourcen. Letztendlich liege die Verantwortung für die Umsetzung bei jenen, die es verkauften. Das BLV gab jüngst gegenüber Ktipp im Zusammenhang mit Irreführung bei Lebensmittelverpackungen die Information preis, dass man für die Beurteilung von Etiketten nicht zuständig sei. Die Kontrolle obliege den Kantonen.


Was bleibt den Konsumenten also? Selbstjustiz? Oder den Gang an die Medien des Landes? Für beide Alternativen habe ich grundsätzlich wenig übrig. Ersteres ist widerrechtlich und das Zweite meistens nicht von Erfolg gekrönt, denn, immerhin leben die Medien von den Werbeeinnahmen jener, die die Konsumenten betrügen, anschwindeln, täuschen und in die Irre führen.


Wie sagte Dr. Luzart zwei Jahre nach Ausstrahlung des Kassensturz-Tests vom 3. Mai 2016 gegenüber der Zentralschweizer Tafelrunde so schön: «Doch Migros verkaufte den Qualiätsschwindel munter weiter. Auch der vielgerühmte Qualitätsjournalismus vom "Kassensturz" wurde seinem guten Ruf nicht gerecht. Trotz dem eindeutigen Testverdikt (Migros M-Budget-Olivenöl schitt beim damaligen Test als "nicht konform" ab) nahm sich niemand die Mühe, nachzuforschen, ob die Schwindelöle tatsächlich aus den Regalen verschwunden sind oder nicht. Das wäre eigentlich Pflicht für ein Sendegefäss, das den investigativen Journalismus auf seine Fahnen schreibt. Doch vermutlich ist Migros als Werbekunde für SRF ein zu grosser Player. Too big to fail. Systemrelevant für das Überleben eines TV-Senders [..].»


So bleibt mir nur das folgende Fazit.

Freiheitsstrafen wegen Etikettenschwindel. Das gilt beim Käse, nicht aber beim Olivenöl.


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