Antonio Luque, zweifellos einer der mächtigsten Männer der spanischen Olivenölindustrie, gab in der letzten Novemberwoche 2024 anlässlich eines Medientermins bekannt, dass es in der spanischen Olivenölindustrie unlauter agierende Protagonisten gäbe, die raffiniertes Olivenöl mit Sonnenblumenöl oder Tresteröl strecken würden. Nur so gelänge es diesen, das hochverarbeitete Produkt "Olivenöl", was gemäss gesetzlicher Anforderung aus raffinierten und nativen Olivenölen bestehen muss, günstiger zu verkaufen als Lampantöl, das zwar als qualitativ ungenügend gilt, aber immerhin rein mechanisch gewonnen wird. Luque habe Hinweise aber keine Beweise, weshalb er die Namen der mutmasslich Fehlbaren nicht nennen könne. Die spanische Regierung und die Verbände der Industrie wehren sich gegen die Vorwürfe.
Am 26. November 2024 war der Welt-Olivenbaum-Tag. Fünf Tage vorher, am 21. November 2024 feierte das interstaatliche International Olive Council zusammen mit dem Obersten Rat der wissenschaftlichen Forschung in Spanien das dreissigjährige Bestehen der Mediterranen-Ernährungs-Pyramide. Besonders bitter: Vor dem Hintergrund einer Sensationsmeldung am 27. November 2024, die sich wie ein Lauffeuer durch die spanische Presse frass, redet heute kein Mensch mehr über diese Schönwetter-Themen. Denn, die Omertà der spanischen Olivenölindustrie wurde am 27. November 2024 gebrochen.
So etwas wie die Omertà - in der italienischen Mafia-Kultur einen Ehrenkodex des Schweigens meinend und das Nicht-Kooperieren mit den Behörden bedeutend -, gab es auch unter den grossen Protagonisten der spanischen Olivenölindustrie. Präteritum deshalb, weil dieses unausgesprochene Gelübde in der letzten Novemberwoche mit der Kraftentfaltung eins voll durchgezogenen Vorschlaghammers zerbrochen wurde.
Einer der mit Abstand einflussreichsten Männer im spanischen Olivenölsektor, Antonio Luque (im Titelbild), Präsident der grössten Agrar-Genossenschaft Spaniens, DCOOP, die als grösste Olivenöl- und Tafelolivenerzeugerin der Welt gilt, hat medienwirksam erklärt, dass die spanische Olivenölindustrie systematisch Olivenöl fälscht, um preislich das attraktivste Angebot bereithalten zu können.
Luque gab an, dass es bei diesem systematischen Betrug darum gehe, "Olivenöl" mit Tresteröl oder Sonnenblumenöl zu mischen, um den Preis zu senken. Es sei doch seltsam, dass Olivenöl der fünften Güteklasse - kurz "Olivenöl" - in Spanien günstiger angeboten werde als Lampantöl. Denn, "Olivenöl" entstünde schliesslich über einen industriellen Raffinationsprozess aus nicht verzehrfähigem Lampantöl, das zur Kategorie der nativen Olivenöle zählt. Folglich wäre es nur logisch, wenn Raffinate teurer wären als naturbelassene Lampantöle. Die einzig logische Erklärung, die zu dieser Preisbildung führe, sei der Verschnitt von Tresterölen oder Samenölen wie Sonnenblumenöl mit einem Anteil an raffiniertem Olivenöl.
Zwar weigerte sich Luque, die schwarzen Schafe beim Namen zu nennen, oder den Prozentsatz des gefälschten Olivenöls am Markt zu beziffern, aber immerhin sagte er: «Viele Marktteilnehmer machen das und keine Behörde ergreift Massnahmen, um diesen Betrug zu verhindern.» Er habe zwar Hinweise mit Namen aber eben keine handfesten Beweise, die vor Gericht zugelassen würden.
Das hält den mächtigen Agrar-Mann aber nicht davon ab, die Staatsanwaltschaft mit Nachdruck aufzufordern, den Sachverhalt zu untersuchen. «Wir haben 40 Jahre geschwiegen, aber wir werden das nicht länger hinnehmen. Die Behörden müssen etwas unternehmen, weil bisher schlicht keine Kontrollen durchgeführt werden.», sagte Luque.
Einen Fingerzeig in Richtung der Abfüller- und der Exportindustrie, deren Protagonisten sich in den Verbänden Anierac und Asoliva vereinigen, macht er dann aber doch noch. DCOOP gehöre als riesige Kooperative keinem dieser Verbände an. Trotz intensiver Lobby-Arbeit würden diese Verbände nichts gegen den grassierenden Betrug tun, gab Luque zu verstehen.
Eine Krähe hackt der anderen ein Auge aus
Nun, die Omertà der spanischen Olivenölindustrie ist Geschichte. Eine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Der "Schaden" ist angerichtet. Und, so dauerte es auch nicht lange, bis sich die von Luque verunglimpften Verbände - ebenfalls medienwirksam zu Wort meldeten und Luques Vorwürfe vehement bestritten.
Asoliva und Anierac betonten in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie «stets die geltende Gesetzgebung und die vorgeschriebenen Kontrollmechanismen eingehalten» hätten. Zudem verfügten sie über «eigene Verfahren zur Selbstregulierung, um die höchste Qualität und Sicherheit ihrer Produkte und Prozesse zu gewährleisten». Weiter hoben die Verbände hervor, dass sie «immer eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden gepflegt haben, um die besten Lösungen zur kontinuierlichen Verbesserung der Kontroll- und Regulierungsmechanismen im Sektor umzusetzen». Luques Vorwürfe, die er als Präsident von DCOOP gemacht habe, seien demnach schlicht falsch.
Schliesslich versicherten Asoliva und Anierac, dass der Sektor «geeignete Massnahmen gegen diese falschen Anschuldigungen ergreifen werde, die darauf abzielen, das Ansehen des spanischen Olivenöls im Vergleich zu Ölen anderer Länder zu schädigen und gegen einen Sektor von enormem Gewicht und grosser Tradition in Spanien vorzugehen, der eine tragende Säule der spanischen Wirtschaft und Kultur darstellt».
Auf die Seite der Verbände schlägt sich auch die spanische Regierung. Landwirtschaftsminister Luis Planas nannte Luques Vorwürfe «unglücklich und unverantwortlich» da sie die Reputation des gesamten Sektors infrage stelle. Planas gab zu verstehen, dass es umfangreiche Kontrollen gebe, die sowohl die Kennzeichnung als auch die organoleptischen Eigenschaften, die Lebensmittelindustrie, den Handel und den Export von Olivenöl betreffen würden. Schliesslich erinnerte er daran, dass die Qualitätsnorm von 2021 die Rückverfolgbarkeit sicherstelle und die Mischung von Olivenöl mit anderen Pflanzenölen verbiete.
Der Minister forderte auf, «mit Namen und Nachnamen» konkrete Fälle anzuzeigen. Nur dann könnten die Behörden handeln. Ansonsten solle «dem Sektor nicht geschadet werden», da die Olivenbauern und die spanische Industrie «das nicht verdient haben».
Warum sollte DCOOP die spanische Industrie und damit sich selber schwächen wollen?
Luque ist gewiss kein Kind von Traurigkeit. Es gibt zahlreiche Geschichten und Gerüchte über ihn. So etwa, dass er zur Einschüchterung seiner Kontrahenten schon mal mit Heuschrecken gefüllte Tafeloliven auf die Windschutzscheibe der Fahrzeuge seiner Wettbewerber platzieren lasse. Klar, das ist "Hörensagen". Allerdings muss man nochmals deutlich zum Ausdruck bringen, dass nicht ein Mitarbeiter eines kleinen Landwirtschaftsbetriebs diese massiven Vorwürfe gegen die spanischen Olivenölindustrie erhoben hat, sondern, dass der Absender dieser Botschaft kein Geringerer als der Präsident des grössten Olivenöl- und Tafelolivenerzeugers der Welt ist. Zudem gehört zu DCOOPs Portfolio auch die Marke Pompeian, die als meistverkaufte Olivenölmarke der USA gilt.
DCOOP kann kein Interesse daran haben, den spanischen Olivenölsektor schwächen zu wollen. Im Gegenteil. Auf die Spanier warten in Übersee mit dem Beginn der zweiten Ära Trump genug Herausforderungen. Der designierte Präsident der US Corporation soll unter anderem auf spanisches Olivenöl und auf spanische Tafeloliven massive Zölle erheben wollen. Schlechte Publicity ist in diesem Kontext - insbesondere für DCOOP - nicht gerade hilfreich.
Das spanische Landwirtschaftsministerium täte also gut daran, die Vorwürfe Luques zeitnah zu überprüfen, anstatt die Industrie bedingungslos in Schutz zu nehmen.
Gerade jetzt: Betrug mit portugiesischem Olivenöl?
Betrug findet offensichtlich - ohne dass es handfeste Beweise gibt - gerade jetzt wieder statt. In Portugal wurde aus superintensiven Olivenhainen der Sorte Arbequina, die unter anderem spanischen Unternehmen gehören, massig Olivenöl produziert, dass in chemischen Analysen deutlich erhöhte Erythrodiolwerte zeigte und somit nicht als natives Olivenöl gelten kann. Erythrodiol gehört zur Klasse der Pentacyclischen Triterpenalkohole und ist ein Schlüsselparameter zur Überprüfung der Echtheit und Qualität von Olivenöl, insbesondere zur Erkennung von Verfälschungen mit Oliventresteröl.
Aus Portugal werden zurzeit Olivenölabgänge zum Spottpreis - 4.20 € pro Kilogramm - verzeichnet. Das deutet darauf hin, dass dieses nicht verkehrsfähige "native Olivenöl" in die Abfüllerindustrie nach Spanien und Italien gelangt, wo es mit wenig anderem nativem Olivenöl gemischt wird, so dass der Erythrodiolwert der Mischung unter den gesetzlichen Grenzwert fällt. Italien erwartet demnach gemäss dem Branchenportal Teatro Naturale in den nächsten Wochen Olivenöl, das in der 750-ml-Flasche gerade mal 3.99 € kosten wird.
Nicht umsonst sagte Antonio Luque, dass Spanien die Tricksereien, die sich Betrug nennen, den Italienern abgeschaut habe.
Quellen
div. spanische Medien
Teatro Naturale
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