In ihrer Ausgabe 2/2020 hat die Stiftung Warentest wieder mit einem Olivenöl-Test zugeschlagen. Für uns ist dieser auflagenstarke, meinungsprägende Test jedes Mal ein zermürbender Rückschlag, der viel von unserer mühseligen Aufklärungsarbeit zunichte macht. Die Merum-Leser wissen, dass wir weder das aus mehreren Eigenschaftsprüfungen zusammengesetzte Gesamturteil noch die Qualität der Verkostung gutheißen. Auch mit dem Warentest-Mantra „Qualität muss nicht teuer sein“ wird nichts anderes erreicht als die Legitimierung der grassierenden Schnäppchenkultur. Polemik und Ärger sind jedoch nicht zielführend, denn das Ziel ist vielmehr, die Kollegen der Stiftung von einer dem Landwirtschaftsprodukt Olivenöl gerecht werdenden Bewertungsmethode zu überzeugen und davon, bei Gelegenheit mal ihre Tester zu testen.
Ein Beitrag von Andreas März, erstmals publiziert in der Merum-Ausgabe 2/2020
Andreas März wurde 1950 in Basel geboren und besuchte dort widerstrebend und mit mäßigem Erfolg das Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er mit demselben Elan an der Eidgenössischen Hochschule in Zürich Landwirtschaft und schloss das Studium als Ingenieur Agronom ETH ab. Nach einem Volontariat bei einer Tageszeitung unterrichtete er in Basel Mittelschüler und verdingte sich als technischer Berater bei einer Chemiefirma. Einzige Konstante in seinem städtischen Leben war der innige Wunsch, einmal Landwirt zu werden. Seinem Traum stand dann nichts mehr im Wege, als er im Jahr 1979 feststellte, dass in der Toskana der Ausverkauf der landwirtschaftlichen Anwesen in vollster Blüte stand und er sich in der Lage sah, mit seinem Ersparten ein Olivengut zu erwerben. Seit 1981 lebt Andreas März mit Familie in Lamporecchio (Toskana), wo er als Olivenbauer und Landwirtschaftsjournalist arbeitet. Seit 1994 betreut er Merum. E-Mail: am@merum.info
Es geht um Grundsätzliches. Wir von Merum versuchen, den Olivenölsektor umfassend zu verstehen und so auch unseren Lesern zu vermitteln. Den Verbrauchern ohne jegliche Recherche lediglich aufzulisten, welches die besten oder die preisgünstigsten Öle sind, wäre zu kurz gedacht. Man muss den Menschen nicht sagen, WAS sie kaufen sollen, sondern ihr Verständnis für die Zusammenhänge wecken, so dass sie ihre Kaufentscheidungen eigenverantwortlich zu treffen vermögen.
Sobald feststeht, dass der Kunde weiß, was er für sein Geld in Wirklichkeit kriegt, erst wenn ihm klar ist, was sein Kauf bewirkt, ist die Pflicht des Fachjournalisten getan. Danach ist alles nur noch Geschmacks- und Gewissenssache des aufgeklärten Verbrauchers.
Kollegen zu schelten gehört sich eigentlich nicht und zählt deshalb auch nicht zu unseren Lieblingsaufgaben. Doch wenn Meinungsmacher so viel Einfluss haben wie zum Beispiel einige wenige Weinpäpste, dann kann es schon mal vorkommen, dass sie von uns ein bisschen Schuldzuweisung für verkehrte, stilistische Entwicklungen beim Wein abkriegen. Und wenn eine Publikation wie der Olivenöl-Test der Stiftung Warentest derart marktbestimmend ist und den Absatz von Olivenölen fördert, die weder gut oder richtig deklariert noch in irgendwie geartet nachhaltiger Weise zustande gekommen sind, dann ist großmütiges Schweigen ein Luxus, den wir uns nicht leisten wollen.
«Merum wirft den Kollegen von der Stiftung Warentest vor, kritiklos Öle zu promoten, die am Entstehungsort Zerstörung anrichten.»
- Andreas März
„Qualität muss nicht teuer sein“
„Qualität muss nicht teuer sein“ ist das Evangelium der Stiftung Warentest, der Schutz der Leser vor überteuerten Produkten ihre Daseinsrechtfertigung. In Wirklichkeit befeuert die Stiftung mit Erfolg eine grauenhafte Geiz-istgeil-Kultur und treibt die Verbraucher dorthin, wo sie – zumindest ist das beim Olivenöl so – Schaden anrichten. Unser Problem mit den Warentest-Kollegen ist, dass sie nicht dazu bereit sind, hinter die Öletiketten bei Aldi, Lidl, Bertolli, Netto oder Penny zu schauen. Olivenöl ist kein Industrieprodukt, sondern ein Landwirtschaftsprodukt. Je mehr man bei einem solchen auf den Preis drückt, je weniger Gewicht man der Qualität beimisst, desto mehr verschlechtert man die Chancen auf Nachhaltigkeit am Ursprungsort. Die Bauern kriegen für ihre Erzeugnisse immer weniger Geld, und wollen sie ihr Einkommen halten, müssen sie immer größere Flächen immer intensiver bewirtschaften, mit Monokulturen und immer mehr Maschinen, immer mehr Chemie, im Falle der Olivenproduktion mit immer mehr Wasser für die dichtstehenden, rasch wachsenden Pflanzen, hochgepumpt aus immer größeren Tiefen – bei 500 Metern ist man bereits angelangt, Meerwasser fließt nach…
„Qualität muss nicht teuer sein“ ist eine ausbeuterische, rücksichtslose, nicht durchdachte Haltung. Merum findet: Will man Handwerker und Landwirte fördern, die ihre Professionalität perfektionieren und qualitativ Hochwertiges hervorbringen, dann wäre es eine Sünde, ja kultureller Vandalismus, sie dafür nicht angemessen zu entschädigen. Deshalb möchten wir den missverständlichen Wahlspruch der Kollegen korrigieren zu: „Qualität kann nicht billig, muss aber nicht überteuert sein“.
Die Billigmanie hat beim Olivenöl zu einer schrecklichen Gleichmacherei geführt. Der Weltmarktpreis für Olivenöl, nein, ich muss mich korrigieren, der Weltmarktpreis für „Extra Vergine“ ist derzeit wieder auf dem absolutem Tiefpunkt, bei zwei Euro pro Liter angelangt. Der Inhalt der meisten von der Stiftung getesteten, sowie vier der fünf Sieger-Öle dürften zu diesem Preis eingekauft worden sein.
Um zu verstehen, was zwei Euro pro Liter für die Bauern und für die Landschaft bedeuten, müsste man ein bisschen recherchieren. Ist gar nicht so kompliziert, alle nötigen Informationen für mehr Verständnis fließen einem zu, wenn man nur die richtigen Webseiten anklickt. Merum wirft den Kollegen von der Stiftung Warentest vor, kritiklos Öle zu promoten, die am Entstehungsort Zerstörung anrichten.
«Ein Typ mit Zivilcourage, dieser Pierluigi Tosato!»
- Andreas März
Keine Geschmacksache: Qualität beim Olivenöl
Die Haltung der Warentester ist möglicherweise die, dass man schließlich keine Landwirtschaftspolitik machen wolle, sondern lediglich unvoreingenommen Produkte teste. Tun wir für einen Moment so, als akzeptierten wir diese redaktionelle Politik. In dem Fall müssten wir uns aber darüber unterhalten, was unter Qualität beim Olivenöl zu verstehen ist. Manches ist Geschmacksache, die Qualität von Olivenöl ist es nicht, vielmehr ist sie gesetzlich geregelt. Zugegeben, mit seinen hohen Erwartungen an ein Extra Vergine stellt der Gesetzgeber den Sektor vor große Probleme. Denn für diese Superkategorie, die nicht nur nativ sein soll, sondern auch extra, sind Fehlaromen tabu.
Nur wer sich in der Produktion von Olivenöl gut auskennt, weiß um die Schwierigkeit, diese Anforderung zu erfüllen. Ich schätze mal, wohlwollend, nur um nicht polemisch zu wirken, dass höchstens fünf Prozent der weltweit produzierten Öle das Extra-Vergine-Etikett verdienen. Etwas optimistischer äußert sich Pierluigi Tosato, bis vor kurzem oberster Chef der Deoleo (Bertolli, Carapelli, Sasso etc.): In der IOF-Studie zur Olivenölqualität im Schweizer Detailhandel (2019) bestätigt er, dass die laut Studie 21 Prozent korrekt bezeichneten Extra Vergine den Anteil widerspiegeln, der in Wirklichkeit auch in den Olivenländern erzeugt wird. Indirekt bestätigt er somit, dass 79 Prozent des sogenannten Extra Vergine keines ist, und damit falsch gekennzeichnet in den Verkauf gelangt. Doch der ehemalige Boss von Bertolli, Carapelli & Co sagt noch mehr Unerwartetes, erstaunlicherweise trägt er auch Forderungen vor, die Merum seit langer Zeit postuliert. Ich zitiere Pierluigi Tosato aus erwähnter Studie: „Auf unsere Marktsituation übertragen heißt das, dass wenn wir gegenüber den Verbrauchern ehrlich und transparent sein wollen, wir ihnen erklären müssen, dass echtes natives Olivenöl extra ein hochwertiges Lebensmittel mit vielen gesundheitlichen Vorteilen ist, für das sie bereit sein sollten, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Begleitend dazu ist es nur fair, wenn wir beginnen, den Großteil des heute angebotenen Olivenöls als das zu bezeichnen, was es wirklich ist, nämlich natives Olivenöl oder einfacher ausgedrückt Vergine. Extra Vergine ist und bleibt eine Seltenheit.“ Zusammengefasst: Qualität kostet! Und: Der Großteil des Extra Vergine sollte zu einfachem Vergine deklassiert werden. Ein Typ mit Zivilcourage, dieser Pierluigi Tosato! Kein Wunder, hatte man für ihn bei Deoleo keinen Bedarf mehr.
Wer bestimmt, was Qualität ist?
Ja, Extra Vergine ist eine Rarität. Doch während es aussichtslos wäre, italienischen Billig-Frizzante als Champagner zu vermarkten oder zu versuchen, einen Opel Kadett als S-Klasse an den Mann zu bringen, konnte sich Betrug beim Olivenöl ungehindert einbürgern. Schon allein deshalb, weil die Leute von Wein und Autos viel mehr verstehen als von Olivenöl. Dabei gäbe es doch Vorschriften. Vorschriften, die das Extra Vergine zur Rarität machen. So die EU-Verordnung 1348/2013: Neben anderen, rund zwei Dutzend Parametern verbietet sie für Extra Vergine kategorisch Fehlaromen.
Die Frage ist nun: Wer entscheidet, ob ein Öl fehlerhaft ist? Die chemische Analyse allein vermag das nicht zu klären, auch in ihrer chemischen Zusammensetzung anscheinend korrekte Öle können ranzig, fermentiert oder stichig riechen. Aus diesem Grund führte der Gesetzgeber vor 29 Jahren das Panel ein, eine Gruppe bestehend aus knapp zehn geschulten Verkostern. Ihre Nasen sollen die Qualität verbindlich feststellen.
Auch wenn die Nase des Menschen ein geniales, hochempfindliches Instrument sein mag, ihre Wahrnehmungen sind nicht zuverlässig, sicher aber nicht wiederholbar, noch weniger sind es die einer Gruppe. Völlig unmöglich, selbst bei sehr guter Schulung, dieselben Resultate gar von zwei verschiedenen Gruppen zu erhalten.
Unumstößliche Tatsachen: Je besser das Panel, desto schlechter die Öle. Will heißen: Je geschulter eine Verkostergruppe ist, je mehr Öle verschiedenster Qualitäten, verschiedenster Herkünfte und Macharten es regelmäßig verkostet, desto unwahrscheinlicher, dass ihm bei der Beurteilung eines bestimmten Öls große Fehler unterlaufen. Andersrum: Je schlechter das Panel, desto besser die Öle. Panels, die zum Beispiel hauptsächlich handelsübliche, also in der Regel schwer fehlerhafte Öle verkosten, es aber unterlassen, ihre Nasen an frischen Olivenölen aus korrekter Verarbeitung zu schulen, werden auch Öle für „gut“ oder „ausreichend“ halten, die in Wirklichkeit schwer geschädigt sind.
Je schlechter das Panel, desto besser das Öl
So geschehen bei der Verkostung für die jüngste Test-Ausgabe der Stiftung Warentest. Die Tester hatten 28 „Extra Vergine“ zu beurteilen. Gleichzeitig ließ die Redaktion die Öle auf verschiedene Schadstoffe, Korrektheit der Bezeichnung, Qualität der Verpackung und anderes untersuchen. Zweifellos eine Fleißarbeit. Doch wem nützt sie? Das Vermischen dieser heterogenen Resultate verwischt nur die Aussage des Tests und das Verständnis dafür. So kommt es, dass die Gewinneröle zwar nicht die besten sind, aber trotzdem aufs Podest kommen, weil zum Bespiel alles zweisprachig auf dem Etikett steht.
«Ach, was für ein Durcheinander macht ihr doch! Die Frage kommt spontan: „cui bono?, wem nützt's?»
- Andreas März
Eines haben die Warentester immer noch nicht verstanden, es ist nicht nützlich, eine Rangliste auf der Basis verschiedenster Kriterien zu erstellen. Die Tester erkannten zwar drei „sehr gute“ Öle, doch zwei davon verlieren sich im Mittelfeld. Runtergestuft, weil auf dem Etikett eine Bagatelle fehlt, oder der Text nicht zweisprachig ist, oder man einen abweichenden Analysewert für irgendeine ungesättigte Fettsäure gefunden hat.
Unverständlich ist die Unterscheidung in „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“ und „ausreichend“ bei der sensorischen Prüfung. Es sei denn, „ausreichend“ bedeute immer noch ein von Fehlaromen freies Öl. Damit handelte es sich um ein ziemlich rares Spitzenöl, ein vollwertiges Extra Vergine. Die lieblose Wertung „ausreichend“ wäre dann aber ein Affront für eine solche Leistung!
Falls „ausreichend“ oder „befriedigend“ hingegen bedeuten, dass es sich um ein Öl mit gewissen sensorischen Fehlern handelt, dann wären diese Attribute ebenfalls unangebracht: Es gibt kein Extra Vergine mit auch noch so kleinen Fehlaromen! Also müsste die Wertung in diesem Fall „mangelhaft“ lauten und das Öl wegen falscher Kennzeichnung abgestraft werden. Ach, was für ein Durcheinander macht ihr doch! Die Frage kommt spontan: „cui bono?, wem nützt's?
Für die heile Welt der Warentest-Gläubigen ist nur eines wichtig: Das beste Öl steht in den Aldi-Filialen, und auch Lidl ist unter den ersten fünf. Die Kirche bleibt also auch diesmal im Dorf. Die Erfahrung, dass sich Lidl und Aldi als Gewinner abwechseln, bestätigt auch der jüngste Öl-Warentest.
Warentest-Sieger nachverkostet
Wie vor zwei Jahren haben wir uns pflichtschuldigst die fünf Gewinneröle besorgt und verkostet. In diesen Tagen fanden bei uns auch die Verkostungen für den Taschenführer Olivenöl statt, 300 Öle von einem leider recht heterogenen Jahrgang. Topqualitäten aus Süditalien, wenig Gutes aus Mittel- und Norditalien, viel Schlechtes.
In fünf verschiedene Verkostungsreihen stellten wir – natürlich verdeckt – je eines der Warentest-Topöle. Unser Panel wurde nicht informiert, dass Öle aus dem Handel unter die Produzentenöle geschmuggelt wurden. Alle Öle wurden also nach identischen Kriterien bewertet.
Die Zusammenfassung: Offenbar hatten wir großes Pech. Waren die Öle in der Verkostung des Warentest-Panels gut bis sehr gut, dann wurden uns bei der Beschaffung offenbar völlig andere Öle untergeschoben: Denn nur ein einziges, sehr fehlerhaftes italienisches Produzentenöl wurde vom Merum-Panel derart vernichtend beurteilt wie die Warentest-Sieger.
Anders: Falls die Warentest-Sieger tatsächlich gut, also sensorisch fehlerfrei und somit Extra Vergine gemäß EU-Verordnung 1348/2013 sind, dann wären das alle von uns in sechswöchigem Aufwand aufwendig auf Geruch und Geschmack geprüften Produzentenöle auch. Denn selbst die fehlerhaftesten Kandidaten sind mit einer Ausnahme in beschämendem Maß besser als die fünf Warentest-Gewinner.
Beschämend entweder für Merum, weil wir zu Unrecht so streng sind und mehr als die Hälfte der angestellten Öle als nicht der Rede wert von der Publikation ausschließen. Oder beschämend für das von Stiftung Warentest bemühte Panel, dessen Verkoster keine Ahnung haben, wie Extra Vergine sensorisch beschaffen zu sein hat.
Zeitpunkt der Warentest-Verkostung
Jeder Olivenöl-Profi weiß, welcher der geeignete Zeitpunkt für die Verkostung von Olivenöl ist: möglichst früh im Jahr, wenn die Öle frisch sind und erst vor kurzem abgefüllt wurden. Bis die entsprechende Publikation im Verkauf ist, sind die getesteten Öle dann meist noch im Handel. Werden die Öle später angefragt, ist das Risiko hoch, dass sie nicht mehr verfügbar sind.
Für ihren Test hat die Warentest-Redaktion ihre Muster erst im Juli und im August 2019 eingekauft. Über den Zeitpunkt der Verkostung gibt der Artikel keine Auskunft, publiziert wurde er Ende Januar 2020, also mehr als ein Jahr nachdem das Öl erzeugt wurde. Selbst falls das Öl kurz nach der Ernte einmal gut gewesen sein sollte, nach einem Jahr hat es seine besten Zeiten in jedem Fall hinter sich, egal, was das Mindesthaltbarkeitsdatum behauptet.
Den Warentest-Kollegen raten wir, ihren Workflow zeitlich so vorzuziehen, dass damit dem kurzen Lebenszyklus des Olivenöls Rechnung getragen wird. Sämtliche Ölführer bemühen sich, mit ihren Publikationen möglichst früh zu erscheinen, um den Lesern zu ermöglichen, die getesteten Öle zu erwerben. Die einzige Ausnahme bildet Flos Olei, der erst aufs Weihnachtsgeschäft herauskommt und Öle promotet, die vielleicht mal gut waren, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung – wären sie noch erhältlich – bereits alt sind.
Sehr erstaunlich ist allerdings, dass Ende Januar 2020, als wir uns sofort nach Erscheinen des Tests in München die fünf Testgewinner für die Nachverkostung besorgten, die 2018er-Öle alle noch erhältlich waren. Bedenkt man, dass Olivenöl ein Frischeprodukt ist und auch das beste Öl nach einem Jahr altersgeschwächt ist, fällt Verständnis schwer.
Das ist – gelinde gesagt – Bullshit.
- Andreas März
So schnitt Warentest bei Merum ab
Da das Merum-Verkosterteam ein sogenanntes internes Panel und nicht offiziell anerkannt ist, besitzt es nicht die Kompetenz, die Korrektheit der Warenbezeichnung (Extra Vergine) öffentlich anzuzweifeln. Als Privatperson darf ich nach dem „Genuss“ der fünf Öle jedoch sagen, dass diese widerlich riechen und schmecken. Ich könnte es vor meinem Gewissen nicht verantworten, meiner Familie derartig verdorbene Lebensmittel auf den Tisch zu stellen!
Auf die schlechte Qualität ihres Öls angesprochen, reagieren die Produktionsfirmen stets mit demselben Refrain: „Wir führen strenge interne Qualitätskontrollen durch, das Öl war bei der Auslieferung perfekt, offenbar wurde es schlecht gelagert und hat deshalb seine Qualität verloren“, oder etwas in der Art. Das ist – gelinde gesagt – Bullshit. Denn die den Industrieölen angelasteten Fehler entstehen nicht bei der Lagerung, sondern bei der Produktion. „Stichig“ zum Beispiel bildet sich bei zu langer, zu warmer Lagerung der Oliven und in der Ölmühle, Essignoten können ebenfalls in der Ölmühle, aber vermehrt bei der Lagerung ungefilterten Öls entstehen. Das Öl, das der Abfüller in die Welt verschickt, ist jedoch gefiltert, diese beiden Fehler sind somit stabilisiert. Weder wird das Öl bezüglich dieser beiden Fehler schlechter, noch besser.
Ein völlig anderer Fall ist die Ranzigkeit! Des Öls größter Feind ist die Oxidation. Nun ist der den industriellen Ölen angelastete Hauptfehler aber nicht der Lagerung geschuldete Ranzigkeit, sondern vielmehr sind es die Aromen der genannten Zersetzungserscheinungenen, die bereits bei der Produktion stattfinden. Einzig das Öl Castillo de Canena weist als Hauptfehler Ranzigkeit auf. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich mal einwandfrei war.
«Liebe Warentest-Verkoster, ich lade Sie freundlich ein, sich doch mal eine Degubox Olivenöl kommen zu lassen. Ausnahmsweise berücksichtigen wir Ihre Bestellung auch dann, falls Sie keine Merum-Abonnenten sein sollten (www.degubox.info/de). Vergleichen Sie Ihr „gut“ mit unserem „gut“. Halten wir unsere Messlatten doch mal nebeneinander. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir derart gegensätzliche Signale in die Olivenölwelt senden. Noch aufschlussreicher wäre für Sie natürlich die Teilnahme an einem Merum Olivenölkurs. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass Sie für die Stiftung Warentest danach noch brauchbar sind.»
- Andreas März
Quelle: Merum, Italien-Magazin für Wein, Olivenöl, Reisen und Speisen, gedruckte Ausgabe 2/2020, Seiten 40-44 (auch als kostenpflichtiges PDF erhältlich)
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