Italien wird in der eben angebrochenen Erntekampagne 2018/2019 knapp die Hälfte des Vorjahresvolumens an Olivenöl (alle Kategorien zusammengefasst) produzieren. 2018 reiht sich somit in die Liste der sogenannten "anni horribiles" (desaströses und unglückliches [Ernte-]jahr) ein. Die italienischen Branchenverbände schätzen, dass die italienische Olivenölproduktion heuer knapp über 200'000, jedoch auf nicht mehr als 220'000 Tonnen kommen wird. Weil die Produktion 2018 auch in Griechenland, Tunesien und Portugal zurückgehen wird, schielen alle nach Spanien, welches nach zwei unbefriedigenden Ernten wieder deutlich zulegen wird.
Die Südregionen Italiens, Apulien, Kalabrien und Sizilien, welche in normalen Jahren rund 80 % des italienischen Olivenöls produzieren, müssen diese Saison drastische Produktionsrückgänge in Kauf nehmen. Die Kälteanomalie, die Europa in den Monaten Februar und März 2018 heimgesucht und europaweit über 80 Menschenleben gefordert hatte, traf auch den Olivenanbau an der Adriaküste, allen voran Apulien, sehr hart. Bei diesem historischen Kälteeinbruch lagen die Temperaturen auf Europas Festland gebietsweise tiefer als im Polarraum. Die eisig kalten Windböen, die mit teilweise rund 150 km/h Orkanstärke erreichten, brachten auch starke Schneefälle mit sich, welche unter anderem die Provinz Bari an der Adria komplett mit Schnee bedeckten. Aber auch kroatische Bergdörfer, die im Norden des Landes auf rund 700 m. ü. M. gelegen sind, versanken im Schnee - so lagen alleine in Delnice kurzerhand 1.8 m Neuschnee. Etwas später, während der Olivenblüte im Frühjahr, traten heftige Scirocco-Winde auf - was zu dieser Jahreszeit zwar nicht unüblich ist, aber die sonst schon dezimierte Blüte weiter dahinschwinden liess.
Apulien, die Ölkammer Italiens, mit Rekordminus
Apulien dürfte bedingt durch diese extremen klimatischen Ereignisse in diesem Jahr kaum mehr als 100'000 Tonnen Olivenöl produzieren. Wenn überhaupt. Doch damit nicht genug: Die jetzt noch deutlich sichtbaren Frostschäden dürften auch im nächsten Jahr für eine unterdurchschnittliche Olivenernte sorgen. Während in der Zone von Foggia (Peranzana-Zone und auch bekannt für den Tomatenanbau) mit etwas über 30 % Produktionsrückgang gerechnet wird, trifft es die Zone Bari (Coratina-Zone) mit einem prospektiven Rückgang von 40 bis 50 % nochmals deutlich härter.
Auch in Kalabrien dürfte man insgesamt eine rückläufige Produktion im Rahmen von 40 % des Vorjahres erwarten, litten die am Tyrrhenischen Meer liegenden Anbaugebiete dieses Jahr zusätzlich an den Angriffen der Olivenfliege und der Olivenmotte. In Sizilien dürfte die Olivenölproduktion in dieser Kampagne - den Scirocco-Winden und den Attacken von Olivenfliegen und -motten in einigen Gebieten geschuldet - 30 bis 40 % geringer ausfallen. Während im Osten, Catania, und im Nordwesten, Palermo, mit einem Produktionsrückgang von bis zu 80 % gerechnet wird, dürfte es im Agrigent, im Südenwesten und in Ragusa, im Süden, nur unwesentlich zu Produktionseinbussen kommen.
In Kampanien wird der Produktionsrückgang voraussichtlich bis zu 50 % betragen. In einigen Gebieten gar 70 %. Auf der gegenüberliegenden Seite, an der Adriaküste in den Marken, Abruzzen und Molise dürfte die Produktion ebenfalls nur gerade 60 bis 70 % des Vorjahresniveaus erreichen. Die zweitgrösste Mittelmeerinsel, Sardinien, erwartet eine Minusproduktion von 40 %.
In Umbrien und in der Toskana ist die Erntesituation je nach Gebiet sehr unterschiedlich. Auch in der Toskana gab es im Februar Frost, was insbesondere die Frühtriebler aber auch die nicht kälteresistente Frantoio-Pflanze schädigte und folglich an der Produktion von Früchten hinderte. Insgesamt wird mit einer Einbusse von etwa 25 % gerechnet, wobei die Ausfälle lokal bis zu 85 % betragen können. Ligurien, eine der kleinsten Erzeugerregionen Italiens, erwartet hingegen ein sehr gutes Jahr mit leichtem Zuwachs. Es sollte dies die einzige italienische Region bleiben, die ein Produktionsplus verzeichnen wird.
Weniger Neuproduktion in Tunesien - Exportquote dürfte dennoch unverändert hoch bleiben
Auch in Tunesien wird die Produktion halbiert, was insbesondere auf eine schlechte Performance im südlichen Landesteil zurückzuführen ist. Nur die nördlichen Anbaugebiete, wovon viele bewässert sind, sind gut in der Produktion. Das nordafrikanische Land dürfte 2018/2019 insgesamt nicht über 150'000 Tonnen hinauskommen. Jedoch geht man davon aus, dass noch rund 60'000 Tonnen Öl der letztjährigen Kampagne in den Tanks liegen, womit im Endeffekt ein selbes Exportpotential erreicht werden dürfte wie im letzten Jahr. Man darf sich also auf ranzige Öle aus Tunesien freuen, die mit Sicherheit den Weg in viele Markenöle Europas finden werden.
Griechenland wird 2018 mengenmässig auf einem ähnlichen Niveau produzieren wie Italien. Die Produktion dürfte 230'000 Tonnen nicht übersteigen. Die Qualität des zu erwartenden Öles soll insbesondere für den Massenmarkt recht ordentlich sein. Mal schauen.
Produktionswechsel in Portugal
In Portugal, wo in den letzten Jahren viele neue Olivenhaine angelegt wurden, welche jetzt langsam aber sicher in die Produktion kommen und alte, unrentable Haine ablösen (klassische Haine oder intensive Haine), resultiert aller Voraussicht nach ein Produktionsminus von etwa 20 % zum Vorjahr, was einem Volumen von ca. 105'000-110'000 Tonnen entspricht. Portugal wird in den nächsten Jahren dank der neuen Olivenhaine, in welche viele spanische Ölproduzenten investiert sind (etwa Nuñez de Prado, der rund 5'000 ha gekauft und bepflanzt hat), kontinuierlich mehr produzieren.
1.6 Mio. Tonnen - Produktionssteigerung in Spanien
Die durchwegs rückläufige Produktion in den eben beschriebenen Gebieten wird vom Produktionsplus der Spanier einigermassen abgefedert werden können, die in diesem Jahr prospektiv etwa 1.6 Mio. Tonnen Olivenöl produzieren und somit auf ein Produktionsplus von knapp 30 % kommen werden. Vor allem die bedeutendste Olivenanbauregion der Welt, Jaén, wo zugleich auch viel Lampantöl herkommt (jeweils in den Zahlen inkludiert), steigert ihre Produktion. Aber auch die Region Sevilla produziert mehr als vergangenes Jahr. Eine schlechtere Produktion ist hingegen in Katalonien mit Arbequina zu erwarten. Insgesamt ein gutes Jahr also für die heuer eher später reifende Picual-Olive (vornehmlich verantwortlich für den unangenehmen Duft eines klassischen Supermarktolivenöls) und ein eher schlechteres für Arbequina-Oliven aus superintensiven Anlagen. Man erinnere sich, im letzten Jahr war es genau umgekehrt. Trotz einem deutlichen Zuwachs wird das Produktionspotenzial Spaniens bei Weitem nicht ausgeschöpft, liegt dieses doch bei rund 2 Millionen Tonnen.
Die aktuellen Ernteaussichten haben bedeutsamen Einfluss auf die Preisentwicklung des diesjährigen Olivenöls. So erwartet man Kilopreise zwischen 5.50 und 6.00 Euro für italienisches Olivenöl (Standardware, chemisch-analytisch extra vergine, sensorisch-analytisch ohne Gewähr) mit zeitweise grossen Auswüchsen in der frühen Phase der Ölkampagne, wenn alle nach neuem Öl lechzen und insgesamt eher tiefere Preise für spanisches Olivenöl im Rahmen von 2.50 bis 2.70 Euro pro Kilogramm (kommodifzierte Ware mit äusserst schlechten organoleptischen Eigenschaften - für klassische Supermarktöle vorgesehen), was kaum die Produktionskosten der Spanier decken wird. Griechisches Olivenöl aus der neuen Kampagne wird einen halben bis dreiviertel Euro teurer sein als die spanische Ware. Tunesische Mischware wird für einen Preis zu haben sein, der sich irgendwo zwischen demjenigen für griechisches und demjenigen für spanisches Olivenöl einpendeln wird.
Fazit: Eintönigeres Sortiment 2019; höhere Preise für italienisches Öl
Italienisches Olivenöl, welches 2019 in die Läden kommt, wird deutlich teurer werden. So kann ich mir beispielsweise vorstellen, dass Monini Gran Fruttato, offiziell bei Migros erhältlich, welches üblicherweise einen hohen Anteil an apulischem Olivenöl beinhaltet, im Frühjahr 2019 einen Preissprung machen wird. Ebenfalls ist es denkbar, dass das Produkt Monini Classico, welches üblicherweise aus italienischen Oliven hergestellt wird, ab kommender Saison vor allem spanische Ölmischungen beinhalten und sich somit geschmacklich an die übrigen im Handel erhältlichen EU-Blends wie Bertolli Originale oder Filippo Berio Il Classico angleichen wird. Nach der ersten Ernteprognose in Folge des intensiven Regens vom Frühjahr in Andalusien und Südportugal haben viele Händler bereits nach niedrigeren Preisen für spanisches Olivenöl verlangt, was alle Protagonisten in der Wertschöpfungskette gehörig unter Druck setzt. Insgesamt erwartet die Konsumenten also ein - vom qualitativen Gesichtspunkt her betrachtet - schlechteres und eintönigeres Olivenölsortiment bei den Grossverteilern. Voll auf die Kosten werden nur jene Olivenölliebhaber kommen, die bereit sind, etwas mehr für die Halbliterflasche zu bezahlen. Migros, Coop, Manor und Globus bieten gute bis sehr gute Öle zu angemessenen Preisen (ab rund 14.00 Franken pro 500 ml).
Silvan Brun, CEO evoo ag
Quellen: Teatro Naturale (Marcello Scoccia; Alberto Grimelli); International Olive Council (World Olive Oil Figures)
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