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Migros & Monini: Die Gestaltung des Olivenölsortiments setzt ganzheitliche Betrachtung voraus


Gute Öle, die keinen Deckungsbeitrag generieren. Migros Olivenöl Monini (Bild: evoo.expert)
Gute Öle, die keinen Deckungsbeitrag generieren (Bild: evoo.expert)

«Die Migros ist die nachhaltigste Detailhändlerin der Welt», sagt die Migros über sich selber. Gut also, dass ihr wichtigster Olivenöllieferant und Schweizer Marktführer, Monini S.p.A. aus Umbrien, im Rahmen eines Nachhaltigkeitsprojektes bis 2030 einen riesigen CO2-Filter in Form eines eine Million Olivenbäume umfassenden "Waldes" anlegen will. Der Grossabfüller investiert damit aber nicht nur in eine vergrösserte eigene Ölproduktion, sondern setzt dabei auch auf das aus Spanien und den nicht traditionellen Olivenländern bekannte Anbausystem "Super-High-Density", bei welchem ein Hektar Land mit rund 1'600 Olivenbäumen oder eher -büschen in Reih und Glied bepflanzt wird. Ein System, das aus vielerlei Perspektiven nicht gerade für Nachhaltigkeit bekannt ist.


Zwei Jahre ist's her. Noch erinnert das Titelbild dieses Beitrags daran, dass auch bei Migros die guten Öle ihren Preis haben, wobei knapp 16 Franken für eine Halbliterflasche ja eigentlich schon als Schnäppchen zu bezeichnen sind. Ich persönlich mag die Monocultivar-Öle Moninis. Wenn sie frisch sind, versteht sich. Dann sind sie grossartig. Dann bin ich sehr gerne Olivenölkunde von Migros. Und von Monini.


Dass die allermeisten Konsumenten, anders wie ich, die Olivenölstrategie der Migros allerdings nicht verstehen, zeigt sich in der mutmasslich schwachen Rotation dieser im Migros-Vergleich eher teuren Monini Monocultivar-Olivenöle. So schnitten zwei von zwei geprüften Produkten im jüngsten relevanten Olivenöltest der Schweiz als "fehlerhaft" ab. In der chemischen Analyse schnitten sie sogar als "Lampantöle" ab und wären demnach nicht mehr zum Verzehr geeignet gewesen.


Diese Testresultate sind allerdings keinesfalls auf eine ursprünglich ungenügende Produktqualität zurückzuführen, sondern schlicht darauf, dass 32 Franken pro Liter Olivenöl im Verständnis der Migros-Kunden schlicht zu viel sind. So kam es, dass die eigentlich guten Olivenöle Moninis aufgrund von Überlagerung das Gesamtergebnis des Migros-Olivenölportfolios negativ beeinflussten. Doch eigentlich müsste es genau umgekehrt sein. So aber blieb es dabei, dass nur eines der geprüften Olivenöle dem Extra Vergine-Standard entsprach. Es hätten gerade wegen den Monini Sondereditionen aber mindestens deren zwei sein müssen.


Das zeigt uns, die unbequeme Wahrheit, dass es nicht funktioniert, mit zwei, drei guten Produkten das Sortiment aufbessern zu wollen. Es braucht - wie immer - ganzheitliche Ansätze. Auf die Migros bezogen bedeutet das, dass die gesamte Olivenölkategorie überdacht werden sollte, dass überall an den Stellschrauben gedreht werden müsste. Das beinhaltet auch das Kommunikationskonzept. Ganz oder gar nicht (du musst dich entscheiden.... von Wolfgang Petry). Nicht zuletzt hat das im besonderen Fall der Migros auch mit Nachhaltigkeit zu tun. Man erinnere sich an die Berichterstattungen rund um den Vogelmord in den sogenannt Superintensiv-Olivehainen Spaniens, die häufig bei Nacht beerntet werden. Migros versicherte mir, dass ihre Öle nicht aus solchen Anbausystemen kommen.


Superintensiver Anbau und der Glaube an Nachhaltigkeit

Nun aber droht sich das Blatt, zu wenden. Monini, Migros' Hauptlieferant, kündigte im Rahmen seines 100-jährigen Bestehens im Mai 2020 an, mit Blick auf das Jahr 2030 in einen Nachhaltigkeitsprojekt einen "Bosco Monini" mit einer Million Olivenbäumen der Sorten Arbequina, Arbosana und Koroneiki anzulegen. 1'000 Hektar Land sollen dem Monini-Wald das Zuhause bieten. Eine grüne Lunge werde es sein, die innerhalb von zehn Jahren 50'000 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus der Luft saugen könne, so Moninis Marketingabteilung.


Das tönt für Migros, die unter anderem auch "Nachhaltigkeit" auf die am Limmatplatz wehenden Fahnen geschrieben hat, erst einmal sehr gut. Mit der meistverkauften Olivenölmarke der Schweiz das Klima retten. Wer greift vor diesem Hintergrund nicht besonders beherzt zur Monini-Classico-Flasche, die im Einliter-Format nicht einmal 14 Franken kostet? Mit günstigem Olivenöl das Klima retten, könnte sich manch ein Konsument denken. Könnte. Konjunktiv. Denn, Konsumenten denken in ihrer Gesamtheit eben nicht, oder wenn, dann zu wenig weit. Ich will ihnen damit nicht unrecht tun, sondern sie dazu ermuntern, ihr Kaufverhalten künftig im eigenen langfristigen Interesse zu ändern. Und dazu muss man eben denken.





«Monini würde wohl gerne nachhaltiger wirtschaften, aber er kann nicht, weil er in Abhängigkeit zu den Lebensmitteleinzel-handelsketten dieser Welt steht.»

- Silvan Brun, evoo.expert






Wirtschaftliche Hintergründe, doch der Klimaplan verkauft sich gut

Was ist also schlecht an Moninis Plan, mittels Olivenbäumen aus der Erdatmosphäre ein saures und farbloses Gas, das wir unter anderem für den Klimawandel mitverantwortlich machen, abzuziehen? Auch hier bedarf es der ganzheitlichen Überlegung und Betrachtung. Grüne Lungen zu gründen, ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Wir benötigen dringend mehr davon. Denn, so schnell wie Brasiliens Präsident im Amazonas Wälder abholzen lässt und mit der wahrlich "atemberaubenden" Geschwindigkeit, mit der in Südostasien Regenwälder zugunsten von Palmöl verschwinden, kann das, was wir langfristig zum Leben benötigen, mit dem Pflanzen von ein paar wenigen neuen Bäumen kaum substituiert werden. Aber bei Monini ist der Hintergrund kaum ein rein klimapolitischer. Sondern mindestens auch ein wirtschaftlicher. Es geht ums Überleben. In Spanien kostet das Kilogramm Olivenöl extra vergine kaum mehr zwei Euro. Und, obwohl auch Monini in der Funktion als Grossabfüller von tiefen Rohstoffpreisen Spaniens profitiert, muss er den Abnehmern "seiner" Ölgemische auf der anderen Seite Preisnachlässe gewähren. Denn die können rechnen, sofern man das Rechnen in diesem Zusammenhang als rein mathematische Disziplin verstehen mag.


Moninis Umsatz und somit auch seine Marge geraten zunehmend unter Druck. Es bleiben weniger Deckungsbeiträge. Somit wird es schwieriger, den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Das Problem dürfte hier auch sein, dass Monini in den meisten Märkten, die er mit EU- oder tunesischer Ware bedient, austauschbar ist. Alle kaufen sie in Spanien und in Tunesien. Die Öle riechen und schmecken daher auch alle mehr oder weniger gleich. Das Produkt unterscheidet sich somit oftmals nur noch durch die Flaschenform, das Material der primären Verpackung, das Etikett und den Markennamen. Würde man einem Konsumenten Öle von Monini und Öle von Salov - Filippo Berio vorsetzen, er wüsste aus sensorischer Betrachtung wohl kaum, was die Produkte unterscheidet. So einfach und doch so brutal.






«Nur ganz wenige Sorten eignen sich für diese intensive Art des Olivenanbaus. Das führt zu einer Vereinheitlichung des Angebots und gleichzeitig zu einem Verlust der Biodiversität.»

- Silvan Brun, evoo.expert



Monini bleiben demnach also zwei Optionen, um Umsätze und Rentabilität zu steigern. Auf hohe Produktqualität aus nachhaltigem Anbau zu höheren Preisen zu setzen oder aber den Weg zu wählen, eine relativ hohe chemisch-physiologische Produktqualität aus ertragsreichen Anlagen zu niedrigeren Preisen zu erzielen. Ersteres würde Monini wohl gerne tun, aber er kann nicht, weil er in Abhängigkeit zu den Lebensmitteleinzelhandelsketten dieser Welt steht. Die müssen damit erstmal einverstanden sein, müssten deutlich mehr für das gleiche Volumen bezahlen, was den Warenkorb des Konsumenten verteuern würde. Das wiederum steht in direkter Beziehung zum potenziellen Verlust des Konsumenten. Dieser nämlich könnte woanders einkaufen gehen. Somit wird praktisch klar, dass sich kaum Händler finden, die den allerersten Schritt zu höheren Preisen und somit zu besserer Produktqualität aus nachhaltigem Anbau wagen.


Monini bleibt also nur die zweite Option. Er muss günstiger produzieren, um nicht noch mehr Geld zu verlieren. Diesen Plan B muss er allerdings mindestens so geschickt vermarkten, wie es andere Abfüller, die direkte Konkurrenten sind, tun. Er hängt der Option Zwei also das Nachhaltigkeitsschild um. Und, punkten kann er dabei auch mit dem "Made in Italy". Er pflanzt schliesslich in Italien. Aber zurück zur Nachhaltigkeit. Moninis Plan, gigantische Superintensiv-Olivehaine aus der Erde schiessen zu lassen, ist unter dem Strich eben nicht nachhaltig. Superintensive Olivenhaine werden mechanisiert bewirtschaftet und sind in aller Regel einem hohen Druck an Pestiziden ausgesetzt, wie das üblich ist bei Monokulturen. Die Anlagen müssen stark bewässert werden. Unterirdische Wasservorkommen werden dafür angezapft. Die Wurzeln der Bäume können nicht in die Breite und müssen daher umso tiefer graben, um an Nährstoffe zu kommen. Die Folgen der intensiven Bewirtschaftung sind Bodenerosion und ein serbelnder Baumbestand nach 15 bis 20 Jahren. Nicht selten aber müssen Bäume früher ersetzt werden, weil sie bei der Bearbeitung von den schweren Maschinen ausgezerrt oder abgebrochen werden.



(Monini bewirtschaftet in Australien bereits superintensive Olivenhaine.)


Ein weiteres Problem: Nur ganz wenige Olivensorten eignen sich für diese intensive Form des Anbaus. Eine Hand voll, mehr nicht. Arbequina, ursprünglich aus Katalonien stammend, ist dabei die populärste Varietät. Sie ergibt milde Öle mit niedrigem Ölsäure- und Polyphenolgehalt. Das Öl gilt daher als besonders konsumentenfreundlich. Oftmals werden reife Oliven bei Nacht und eher kühleren Temperaturen geerntet, um die Qualität der sensiblen Früchte nicht zu beeinträchtigen. Dann, wenn laute Maschinen mit Grellen Scheinwerfern über die Hecken fahren und Reihe für Reihe sämtliche grünen Früchtchen abrasieren und einsaugen, sterben Vögel, die in den buschartigen Olivenbäumen Schutz vor der Nacht und Frassfeinden gesucht haben. Zugvögel mitunter, die im Frühjahr in unseren Breiten brüten würden. Das Verschwinden der Vögel in der Schweiz hat zumindest zu einem Teil auch mit dem intensiven Olivenanbau im Mittelmeerraum zu tun.



(Agromillora - Super-High-Density als Hauptgeschäft)



Vereinheitlichung obsiegt gegen Diversität. Migros kann es ändern.

Das Öl aus Arbequina kann sehr gut sein, klar. Aber, der Olivenanbau läuft wegen der gesteigerten superintensiven Kultivierung, die vom internationalen Preisdruck ausgeht, in Gefahr, die Diversität zu verlieren. Arbequina über die ganze iberische Halbinsel verteilt, zusätzlich auch in Süd- und in Teilen Mittelitaliens. Diese Vereinheitlichung ist schlecht für die Natur und folglich schlecht für uns Menschen, die wir Teil der Natur sind.


Italien verfügt mit seinen über 500 Olivensorten über einen unvergleichlichen Schatz an Vielfalt. Aus agronomischer, ökologischer, kultureller, wirtschaftlicher und kulinarischer Sicht. Doch, der traditionelle Olivenanbau droht, auszusterben. Er ist unrentabel. Für die körperliche Arbeit, die mit der Produktion italienischer Oliven verbunden ist, bezahlt kaum jemand mehr etwas.


Nicht die grossen Abfüller wie Monini haben es in der Hand, diese aus verschiedenen Perspektiven wichtige Vielfalt aufrechtzuerhalten und zu unterstützen, in dem sie von traditionellen Hainen Rohware beziehen würden. Hier muss ich für Monini und Co. eine Lanze brechen. Nein, es sind die Handelsketten, die einsichtig werden müssen. Sie sind die direkten Versorger der Menschen.


Migros beispielsweise. Sie sagte jüngst, ihre vermarkteten Öle stammten nicht aus Superintensivo. Für ihre Öle seien keine Vögel umgekommen. Nun, das wird sich bald ändern. Spätestens in 10 Jahren dürften an jeder Monini-Flasche, die Migros verkauft, Vogelblut und einige Federn, welche die Abkehr vom nachhaltigen Olivenanbau verdeutlichen, kleben. Ein Abbild einer kulturellen und ökologischer Zerstörung.


Welche Bedeutung haben dann ein paar teurere Flaschen guten Olivenöls, die von den Konsumenten ungeachtet im Regal stehen gelassen werden? Genau, noch weniger als heute.




Quellen: Teatro Naturale / evoo.expert



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