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Wenig gutes Öl in einem wirtschaftlich schlechten Umfeld; massive Überbestände an schlechtem Öl


Nicht überall fliesst bereits Öl aus dem Dekanter (Bild: Shutterstock) evoo.expert
Nicht überall fliesst bereits Öl aus dem Dekanter (Bild: Shutterstock)

Sie rennen wieder. Die tüchtigen Olivenbauern in den Südländern Europas. Ihr Energieverbrauch ist in dieser für sie heissesten Phase des Jahres beträchtlich und ebenso beachtlich. Wer diesen Verbrauch nicht konsequent ausgleicht, verliert an Gewicht. So zum Beispiel José Gálvez González von Oro Bailén. Gut und gerne zwölf Kilogramm seines eigenen Körpergewichts opfert er für das perfekte Öl. Jahr für Jahr. Wenig Schlaf, starke körperliche Ertüchtigung, ständige Ausschüttung von Adrenalin, zu wenig Nahrung. Das Rennen von Hain zu Hain und von den Hainen zur Mühle fordert seinen Preis.


Während Olivenbauern mit eigener Mühle, die wir deshalb im weitesten Sinne auch Ölmüllner nennen dürfen, dieser Tage im Quasi-24-Stunden-Betrieb rotieren und dirigieren, protestieren zahlreiche Bauern in den beiden wichtigsten Olivenanbaugebieten Siziliens. Sie haben beschlossen, die Ernte auszusetzen. Die Oliven reifen folglich unter der Sonne des italienischen Dreikaps unaufhörlich weiter, während die Mühlen deshalb vielerorts geschlossen bleiben müssen. Grund für das Aussetzen der Olivenernte, an dem sich im Agrigent und in Trapani weit mehr als 500 Olivenbauern beteiligen dürften, ist die Tatsache, dass die Ölmühlen bis zur Stunde nicht bereit sind, die Höhe der Vergütung, die jedem Bauern für die Lieferung seiner Oliven zusteht, im Voraus festzulegen. Dass die Mühlen sich weigern, die Olivenankaufspreise vor Ablieferung der Oliven durch die Bauern festzulegen, hat mit den für sie erheblich gestiegenen Energiekosten einerseits und der undurchsichtigen Prognose, wie sich die Energiepreise im Lauf der nächsten Wochen, in welchen die Oliven zu Öl verarbeitet werden müssten, weiter entwickeln werden, zu tun.

https://www.grandangoloagrigento.it/primo-piano/agricoltura-monta-la-protesta-degli-olivicoltori-nellagrigentino
Quelle: https://www.grandangoloagrigento.it/primo-piano/agricoltura-monta-la-protesta-degli-olivicoltori-nellagrigentino


Dreimal höhere Energiekosten für Ölmühlen

Tatsächlich kostet die Energie beispielsweise in Ragusa und in Syrakus, den beiden südlichsten Provinzen Siziliens, heute im Vergleich zur Vorjahresperiode 200 % sprich dreimal mehr! Und, die direkten Energiekosten, die beim Müllner anfallen, machen nur einen Teil des Inflationskuchens aus. Dieser wird komplettiert von abermals teurer gewordenen Glasfabrikaten (zwischen 25 % und 100 % Preissteigerung, je nach Modell); Flaschenverschlüsse (15 % Preissteigerung); Kartonverpackungen (zwischen 15 % und 30 % Preissteigerung); Papier für Etiketten (30 % Preissteigerung). Die Olivenbauern sehen sich ihrerseits mit der Bezahlung angestiegener Löhne für Erntehelfer konfrontiert, während dem sie die signifikant höheren Preise für Düngemittel bereits früher in diesem Jahr geschluckt hatten.


Weiter nördlich in der Toskana - Provinz Grosseto - macht den Olivenbauern die Tatsache zu schaffen, dass dieses Jahr deutlich weniger Oliven an den Bäumen hängen. Die professionellen Erntehelfer, die man hier gerne im Akkord beschäftigt und pro 100 kg geernteter Oliven bezahlt, wollen aber mindestens den gleichen Tagessold wie in anderen Jahren, was folglich zu viel höheren Erntekosten führt. Einiger Erzeuger sagen, dass sie den Erntehelfern teilweise das Doppelte zu bezahlen haben.


Abkehr vom guten Olivenöl infolge Preissteigerung?

Richtig gutes Olivenöl - vor allem jenes aus Italien - wird in dieser Saison also rar und massiv teurer sein. Darauf darf man sich als Konsument einstellen. Das wirft natürlich sogleich die Frage auf, ob die Qualitätsolivenölproduktion eine Abkehr ihrer Kundschaft erwartet? Ich würde meinen, dass das der Fall sein wird. Denn, wie wir mittlerweile alle am eigenen Geldbeutel und je nach Situierung folglich auch am eigenen Leib erfahren, ist es nicht nur das Olivenöl, das teurer wird. Inflationsbedingt steigen die Lebensmittelpreise stark an. Gemüse, Milchprodukte, Getreide, Fleisch, Fisch und Junk-Food (mit Junk-Food meine ich nicht nur McDonald's zusammengebastelte Chicken McNuggets, sondern alles stark Verarbeitete, das in den Läden erhältlich ist und welches man, ohne Kochkenntnisse haben zu müssen, bloss erwärmen kann) - es gibt praktisch nichts, was vom Preisanstieg nicht betroffen ist. Zusätzlich bezahlen wir auch mehr fürs Wohnen, fürs Autofahren, fürs Auswärtsessen, ja schlicht fürs Leben.


evoo ag spürt bereits einen Negativtrend, was den Konsum von hochwertigem Olivenöl angeht. So melden uns Wiederverkäufer, dass die Absätze stark zurückgehen oder bisweilen gar stagnieren. Einige erkundigen sich nach kleineren Flaschenformaten, damit die Preishürde für die Konsumenten gesenkt werden könne. Ein manipulativer Marketingtrick. Denn, im Endeffekt kostet der Liter so natürlich mehr, auch wenn die realen Kosten durch diese Massnahme für den Konsumenten kurzfristig gesenkt werden können. Für den Konsumenten seinerseits bedeutet das aber, dass er seinen Genuss von gutem Olivenöl einschränken muss, soll es ihn unter dem Strich nicht deutlich teurer kommen.


Das gute Olivenöl mit schlechterem zu substituieren, bleibt deshalb eine Möglichkeit, das Portemonnaie zu schonen. Vom schlechten Olivenöl gibt es aktuell mehr als genug. Wie aus der

Grafik «Ending Stocks» (Deutsch: Endbestände) des EU-Olive Oil Dashboards hervorgeht, lagerten zum offiziellen Saisonende der Kampagne 2021/2022 am 30. September 2022 noch 617'000 Tonnen Olivenöl (Oliventresteröl nicht miteingerechnet) in den Tanks von Erzeugern, Kooperativen und Abfüllern aus der EU, was über 18 Prozent der weltweiten Produktionsmenge (inkl. Oliventresteröl) aus 2021/2022 entspricht. Das ist also altes Öl - vorwiegend spanischen Ursprungs (463'400 Tonnen) -, welches nun nach und nach auf die Tische der Konsumenten gelangen wird.

Bild: Screenshot EU Olive oil ending stocks - EU Olive oil dashboard
Bild: Screenshot EU Olive oil ending stocks - EU Olive oil dashboard

Die Qualitätsölerzeuger sind in einer ebenso schwierigen Lage wie die Händler deren Öls. Denn, wer will ihr vergleichsweise teures Öl in Zeiten der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und politischen Unsicherheit kaufen? Der Fokus eines Grossteils der Konsumenten dürfte derzeit mehr als jemals zuvor auf der Optimierung ihrer Haushaltsausgaben liegen, was nachvollziehbar ist und auch vernünftig zu sein scheint.


Dem gegenüber haben die Abfüller und Händler von minderwertigem Öl dank der Masse, die sie umsetzen, die Chance, kurz- bis mittelfristig von der gegenwärtigen Krise zu profitieren. Sie mögen möglicherweise einen Kunden- und Absatzzuwachs verzeichnen, während den Qualitätsölerzeugern die Abnehmer den Rücken kehren.


Von der Krise weniger hart betroffen dürften einmal mehr die Grossverteiler und Discounter sein. Denn, einkaufen müssen die Menschen ja. Und die Lebensmittel-Retailer (in Deutschland Lebensmitteleinzelhändler genannt), sind schliesslich flexibel. Sie bieten sowohl schlechte wie auch gute Öle an und können ihr Sortiment bei Bedarf jederzeit beliebig anpassen.

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