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AutorenbildSilvan Brun

Warum Sie niemals ungefiltertes Olivenöl kaufen sollten: Ungefiltertes Olivenöl extra vergine verkommt spätestens 4 Monate nach der Produktion zur zweiten Güteklasse

Aktualisiert: 26. Okt.


Die Farbe des Grauens - nein, nicht das Rote, das Braune, das ein fermentiertes und oxidiertes Öl anzeigt. - evoo ag, Kompetenz in Olivenöl
Die Farbe des Grauens - nein, nicht das Rote, das Braune, das ein fermentiertes und oxidiertes Öl anzeigt.

Ungefiltertes - also "trübes" Olivenöl verdirbt, bevor es der Durchschnittsverbraucher fertigkonsumieren kann. Spätestens nach 120 Tagen weist ein ungefiltertes Olivenöl sensorische oder chemische Mängel auf, die das Produkt von der ersten Güteklasse "Extra Vergine" zur zweiten Güteklasse "Vergine" deklassieren, wie eine Studie der Universität Pisa zeigt. Wer denkt, sein Hunger nach ungefiltertem Olivenöl sei grösser, als der Oxidationsprozess schnell ist, findet sich in aller Regel dennoch mit einem qualitativ ungenügenden Produkt wieder. Denn, die meisten im Supermarkt angebotenen "Non Filtrati" oder "Grezzi", wie man sie auch nennt, sind in aller Regel schon hinüber, bevor man sie kauft.


"I colori del sapore" (zu Deutsch "Die Farben des Geschmacks"). Aldi Suisse präsentierte uns in diesem Jahr ein Olivenöl, das ebensolchen Namen trug und das aus sensorischer Sicht scheusslicher nicht hätte sein können. Und dennoch: treffender könnte der Name nicht gewählt sein.




Ich persönlich schmecke bei diesem überlagerten Stück Fleisch des oxidierten Fetts wegen nur noch Ranzigkeit.



Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Was jemand als besonders lecker (ein deutsches Unwort, ich weiss) empfindet, das treibt dem Nächsten vor lauter Graus die Schweissperlen auf die erblasste Stirn. Wir kennen das. So schmeckt ein fünf Jahre abgehangener Jamón Ibérico de Bellota längst nicht jedem. Ich persönlich schmecke bei diesem überlagerten Stück Fleisch des oxidierten Fetts wegen nur noch Ranzigkeit und würde dieses selbst dann nicht essen, wenn es mir von einem spendablen Gastgeber gereicht würde.


Jamón Ibérico de Bellota kennt aber auch keine gesetzlich festgeschriebenen Minimalanforderungen an den Duft und den Geschmack - er darf also ranzig riechen und schmecken. Ganz anders ist das beim nativen Olivenöl extra. Hier gibt es klare Vorgaben, wie ein naturbelassenes Olivenöl keinesfalls riechen und schmecken darf, will man es als "erste Güteklasse" unter die gut zahlende Kundschaft bringen. Soweit die Theorie.




Es gibt aber einen krassen Katalysator, der den Verderb eines Öls deutlich beschleunigt: Trubstoffe.



In der Praxis zeigt sich, dass allerhand Olivenöle, welche von Erzeugern und Händlern mit "Extra Vergine" (erste Güteklasse) ausgelobt werden, zahlreiche gesetzlich definierte negative Attribute auf sich vereinen. Sie schmecken fermentiert, oxidiert und bisweilen auch metallisch oder wurmstichig. Würden die Vollzugsbehörden einen gesetzestreuen Massstab anwenden, müssten im deutschsprachigen Raum 99 Prozent der gesamten als "Extra Vergine" vermarkteten Olivenölmenge aus dem Verkehr gezogen werden.


Das Problem ist vielschichtig. Einerseits gibt es viele Öle, die bereits in ungenügender Qualität bei den Händlern landen. Und andererseits gibt es wenige Öle, die es zwar in "Extra Vergine"-Qualität in die Ladenregale schaffen, dort aber fermentieren und oxidieren, was sie zwischenzeitlich zu Ölen der zweiten Güteklasse und schlussendlich zu Lampenölen, die nicht mehr für den menschlichen Konsum zugelassen wären, verkommen lässt. Insgesamt dürfte ein Viertel aller bei bekannten Handelsketten angebotenen Olivenöle der Lampantöl-Kategorie angehören. Ein Schweizer Studienresultat aus 2019 stützt diese Vermutung.


Der Verderb eines qualitativ hinreichenden Öls wird üblicherweise durch H-A-L-T (Heat - Air - Light - Time, zu Deutsch Hitze - Luft - Licht - Zeit) verursacht. Es gibt aber einen krassen Katalysator, der den Verderb eines Öls deutlich beschleunigt: Trubstoffe.


Diese Trubstoffe bestehen aus Olivenfruchtbestandteilen, die sich wiederum aus Wasser, Proteinen, Kohlenhydraten (insb. Zuckern), Enzymen und weiteren Mikroorganismen resp. Verbindungen zusammensetzen. Man weiss, dass diese Partikel die Oxidation des Öls beschleunigen, indem sie chemische Reaktionen fördern. Wie schnell dieser Zerfallsprozess vonstattengeht, hängt unter anderem von den eben beschriebenen H-A-L-T-Faktoren ab. Forscher der Universität Pisa hatten vor vier Jahren ermittelt, dass ungefilterte Öle, deren Olivenpaste während der Malaxierung mit ordentlich Sauerstoff in Kontakt gekommen war und die im Anschluss nicht under Schutz- resp. Edelgas gelagert wurden, spätestens nach vier Monaten zu Olivenölen der zweiten Güteklasse dekompensierten.[1]




Man erkennt solche Öle am dicken Bodensatz, wenn man die Flasche einmal kopfüberstellt und etwas schüttelt - was den einen oder anderen Supermarktbesucher, der mir bei dieser Prüfung ungläubig zusieht, dazu animiert, seinen Kopf ebenfalls zu schütteln.



Viele Produzenten, die auf traditionelle Herstellungsmethoden setzen, filtern ihr Öl nicht, um den "natürlichen" Charakter zu betonen. Und, um ihren Ertrag nicht zu schmälern. Doch diese Herangehensweise bedeutet, dass das Öl bei falscher Lagerung schon nach wenigen Monaten - vielleicht sogar nach wenigen Wochen - deutlich an Qualität einbüsst. Die Filtration des Öls ist somit kein Makel, sondern ein absolut notwendiger Produktionsschritt, der für ein hochwertiges, vergleichbar lange haltbares Produkt sorgt.



Sehen nicht appetitlich aus - ungefilterte oxidierte Olivenöle - evoo ag - Kompetenz in Olivenöl
Sehen nicht appetitlich aus - ungefilterte oxidierte Olivenöle grosser Handelsmarken


Einige Abfüller, die sich auf die Vermarktung von sogenannten "Grezzi"-Olivenölen spezialisiert haben, fügen den Ölen sogar absichtlich als Zusatz Wasser-Mikrotröpfchen hinzu, was die Olivenöle im Nachgang besonders trüb und wolkig erscheinen lässt. Von solchen Produkten lässt man am besten die Finger. Man erkennt solche Öle am dicken Bodensatz, wenn man die Flasche einmal kopfüberstellt und etwas schüttelt - was den einen oder anderen Supermarktbesucher, der mir bei dieser Prüfung ungläubig zusieht, dazu animiert, seinen Kopf ebenfalls zu schütteln.


"I colori del sapore" (zu Deutsch "Die Farben des Geschmacks") - Aldi Suisse hatte Recht damit. Den trüben Ölen, wie sie Aldi Suisse verkauft, sieht man ihre Ungeniessbarkeit an. Wolkig, bräunlich, mit hässlichem Bodensatz, der nicht nur optisch, sondern auch im Duft an Klärschlamm erinnert. Hat man vor, von dieser trüben und stinkenden Pfütze über seinen Salat zu giessen, kann man das Salatwaschen gleich bleiben lassen. Solche Öle gehören nicht ins Regal eines Supermarktes, sondern in die Altöltonne.


Demgegenüber stehen saubere echte Extra Vergine Olivenöle, die grünlich-frisch duften, klar sind und leuchten wie ein Smaragd in der Abendsonne. Sie sind die idealen Begleiter für unsere Speisen und halten sich - verschlossen gelagert - mit Sicherheit bis zur nächsten Verfügbarkeit von frisch produzierten Ölen.



Quellen

[1] MACALUSO et al., Influence of the Atmosphere Composition during Malaxation and Storage on the Shelf Life of an Unfiltered Extra Virgin Olive Oil: Preliminary Results; European Journal of Lipid Science and Technology, 06.12.2020; zu finden unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ejlt.202000122

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