Filtern von Olivenöl. Filtern von Nachrichten. Im Kern haben diese beiden Vorgänge eine wichtige Gemeinsamkeit. Dem Filtern von Nachrichten kommt generell, diese Tage jedoch verstärkt, eine ganz besondere Bedeutung zu. Was und vor allen Dingen wem soll man in dieser sich hinziehenden Corona-Krise Glauben schenken? Was ist vertrauenswürdig? Was ist zu unserem Wohl? Ist es gut, dass alle Kritiker der Viruseindämmungsmassnahmen als Verschwörungstheoretiker hingestellt werden? Und, ist es nicht oft so, dass Andersdenkende grundsätzlich einen schweren Stand haben? Jean de La Bruyère, französischer Moralist der frühen Neuzeit, wird der Aphorismus «Das Genaue Gegenteil, was allgemein geglaubt wird, ist meistens die Wahrheit.» zugeschrieben. Doch, was heisst das im Zusammenhang mit den Nachrichten über das ewige Thema Olivenöl, im Speziellen, wenn der Kassensturz zur Corona-Zeit Olivenöle sensorisch testen lässt?
Von Silvan Brun
«Filtration gilt bei der Olivenölproduktion als Abschlussdisziplin. Je nach Grösse des Unternehmens oder besser gesagt je nach produzierter Ölmenge wird das Olivenöl entweder gleich nach dem Dekanter (der die feste Phase von der flüssigen Phase trennt), quasi ganz frisch ab Produktion, oder aber nach der ersten ganz kurzen Zwischenlagerung im Edelstahltank - noch lange bevor das Produkt zur Abfüllung kommt - filtriert. Beim Prozess des Filtrierens wird Unwichtiges von Wichtigem getrennt. Wasser, Fruchtbestandteile, Zucker und Enzyme werden je nach Betrieb mittels unterschiedlichen Filtrationstechniken aus dem Öl gefiltert. Dadurch wird das Öl klar, rein und langlebiger. Das Problem: Nicht alle Betriebe filtern ihr Olivenöl.
Gutes währt bekanntlich länger. So ist es auch beim Olivenöl. Während trübes, unfiltriertes Olivenöl schnell fermentiert und oxidiert, hält sich gutes filtriertes Olivenöl lange frisch. Vorausgesetzt man lagert es richtig.
Unwichtiges wegfiltern
Das Prinzip "Unwichtiges wegfiltern" ist ein an und für sich bekanntes Muster. Wir tun es praktisch täglich. Wir filtern Informationen, ganz gleich ob visuelle oder auditive. Oft hören wir nur, was wir hören wollen. Alles andere filtern wir weg. Kritik etwa. Oder Dinge und Geschichten, die uns nicht interessieren. Oder Informationen, die wir - aus welchen Gründen auch immer - nicht glauben oder nicht nachvollziehen können. Zum Beispiel jetzt, in der Corona-Zeit. Wir entscheiden uns für oder gegen Information. Je nachdem, wie ausgiebig wir Medien konsumieren. Oder, nach einer Zugfahrt erinnern wir uns nur an jene Impressionen, die für uns während dem Aus-dem-Fenster-schauen Bedeutung hatten. Alle anderen Eindrücke, die wir zweifelsohne auch erfahren haben, filtern wir weg. Und, das Filtern oder Filtrieren kennen Grafiker beispielsweise auch von Bildbearbeitungsprogrammen, mit Hilfe derer sie Unpassendes wegfiltern können.
Beim Kochen kommt das Muster des Wegfilterns ebenfalls vor. Hier ist oft von Weglassen die Rede, wenn weniger mehr bedeuten soll. Wenn sich der Gast auf das Wesentliche konzentrieren soll. Mit Stolz, dafür ohne Schnickschnack präsentiert der Koch ein edles Produkt auf dem Teller.
Das Prinzip Unwichtiges wegzufiltern praktiziere ich persönlich insbesondere auch in Bezug auf die Protagonisten der Olivenölbranche. Hier gilt es für mich stets, herauszufinden, wer Teil des Problems und wer allenfalls Teil der Lösung ist. Bislang hat mich das im Wirrwarr des Olivenöldschungels relativ weit gebracht. Ich weiss einerseits, wem nicht über den Weg zu trauen ist und andererseits habe ich gelernt, mit Enttäuschungen umzugehen, habe verstanden, dass vermeintliche Hoffnungsschimmer nicht selten schnell verblassen und sich letzten Endes als Teil des Problems entpuppen, das uns tagtäglich beschäftigt: Olivenölbetrug! Ja, er ist nach wie vor allgegenwärtig. Auch deshalb, weil viele den falschen Protagonisten vertrauen.
Filtern mit persönlichen Konsequenzen
Man wird wählerischer mit der Zeit, ganz klar. Man filtert mehr weg, man konzentriert sich auf das, was tatsächlich wichtig ist. Ganz nach dem Vorbild exzellenter Olivenölproduzenten. Mir geht das zumindest so. Seit ich einmal in einer Finaljury eines renommierten internationalen Olivenölwettbewerbes gesessen habe, weiss ich, dass ich das nie mehr tun möchte. Die Wettbewerbe werden meinen persönlichen Ansprüchen an Moral und Ethik nicht gerecht.
«Die Konsequenz für evoo.expert wird es sein, Wettbewerbserfolge bei der Bewerbung von Olivenölen nicht mehr zu erwähnen. Wir filtern weg, was wir für unwesentlich halten.»
- Silvan Brun, evoo.expert
Zwar habe ich jahrelang nach Lust, Laune und Zeit Resultate von Olivenölwettbewerben publiziert und damit unseren Lesern zeigen wollen, wie gut, die bei evoo.expert im Angebot stehenden Öle tatsächlich sind. Und, auch heute noch finden sich im Shop von evoo.expert Hinweise zu Awards, Competitions und Wettbewerben. Alle Premiumölhändler tun das, publizieren Wettbewerbsresultate und loben ihre Öle mit den gewonnenen Preisen aus. Warum sollten wir das bei evoo.expert nicht tun, war stets die Frage, deren Bedeutung ich mir aber nie wirklich bewusst war? Aber allmählich dämmert es mir. Die Frage sollte doch eher sein, warum tun wir das auch, wenn es alle anderen tun? Den Aphorismus von Jean de La Bruyère in bester Erinnerung frage ich mich, ob Olivenölwettbewerbe unserem Anspruch an Olivenöle, den wir vor allen Dingen in küchentechnischer Hinsicht an sie stellen sollten, zuträglich sind? Ich kann es nicht abschliessend beantworten, muss ich gestehen, aber zumindest ist mir klar, dass Olivenölwettbewerbe nicht nur dienlich sind. Die Konsequenz für evoo.expert wird es sein, Wettbewerbserfolge bei der Bewerbung von Olivenölen nicht mehr zu erwähnen. Wir filtern weg, was wir für unwesentlich halten. Meistens selektieren wir die Öle sowieso eine lange Zeit vor dem Bekanntwerden der Wettbewerbsresultate. Und, unsere Kunden sollen unserer Selektion, auf die wir stolz sind, vertrauen.
Ich hatte immer ein zwiespältiges Verhältnis zu Olivenölwettbewerben. Nicht zuletzt aus dem Grund, da viele heutige Wettbewerbe die Harmonie von Olivenölen bewerten. Ich bin entschiedener Gegner der Harmoniebewertung. Sie gibt ein falsches Bild über die Olivenöle ab, ist wissenschaftlich nicht fundiert und aus rechtlicher Sicht, was Wettbewerbe zwar generell nicht sind, nicht haltbar. Zuletzt präsentierten der Olive Oil Award Zurich und die New York International Olive Oil Competition die Resultate ihrer diesjährigen Wettbewerbsausgaben. Über erstere habe ich ausführlich berichtet. Beide Wettbewerbe bewerten die Harmonie, die der ausschlaggebende Faktor für Erfolg oder Misserfolg an ihren jeweiligen Ausgaben ist. Nun, eigentlich könnte man damit leben und diese Tatsache als gegeben hinnehmen, wenn die Harmonie nicht plötzlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine entscheidende Rolle spielen würde.
Kassensturz stösst mit der Auftragsvergabe an das SOP die Olivenölverordnung von der Klippe
Kassensturz, so liegen evoo.expert als direkt betroffener Zwischenhändler Informationen vor, möchte einen Olivenöltest publizieren, bei welchem jenes Öl am besten abschneidet, welches den höchsten und jenes Öl am schlechtesten abschneidet, welches den niedrigsten Harmonie- & Dauerhaftigkeitswert aufweist. Ermittelt wurde dieser Parameter vom Schweizer Olivenöl Panel. In Heimprüfung. Als Prüfergruppe, nicht als Panel. Obschon sich das Schweizer Olivenöl Panel in seinem Prüfbericht, unterzeichnet von Annette Bongartz, damit schmückt, die sensorische Analyse Zitat "gemäss EU 2568/91 in aktueller Fassung" durchgeführt zu haben.
«Ein Olivenöltest zur Corona-Zeit? Etwas Dümmeres kann einem nicht in den Sinn kommen.»
- Silvan Brun, evoo.expert
Da das Schweizer Olivenöl Panel in der Kalenderwoche 19 dieses Jahres aber aus rechtlichen Gründen noch nicht tagen durfte (die vom Bundesrat verordneten Massanahmen aus Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) (COVID-19-Verordnung 2) verbieten das), musste die vom Kassensturz beauftragte sensorische Analyse in "Heimprüfung" geschehen, was die aktuelle Fassung der "VERORDNUNG (EWG) Nr. 2568/91 DER KOMMISSION vom 11. Juli 1991 über die Merkmale von Olivenölen und Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer Bestimmung" aber so nicht vorsieht. Sie kennt keine Heimprüfungen bei sensorischen Analysen. Denn die Verordnung bezieht sich auf die Normen des International Olive Council (COI) in Madrid, welches vorschreibt, dass sensorische Prüfungen von nativen Olivenölen im Panel von acht bis zwölf ausgebildeten Prüfern in dafür geeigneten Laborräumlichkeiten und mit dafür geeigneter Einrichtung (COI/T.28/Doc. No 1/Rev. 5/2019; COI/T.20/Doc. No 6/Rev. 1/2007; COI/T.20/Doc. No 5/Rev. 2/2020) durchgeführt werden müssen.
Entsprechend ist eine Klassifizierung in die drei Güteklassen nativen Olivenöls nicht möglich. Das Schweizer Olivenöl Panel tut's trotzdem. Im Auftrag des Kassensturz. Man dürfte doch eigentlich davon ausgehen, dass den Redaktoren, die sich tagein, tagaus mit nichts anderem als Produktprüfungen beschäftigen, die entsprechenden Gesetzmässigkeiten bekannt sind. Nun, offenbar sind sie das beim SRF nicht. Ein Olivenöltest zur Corona-Zeit? Etwas Dümmeres kann einem eigentlich nicht in den Sinn kommen. Wenn die ganze Welt unter einem Quasi-Kontaktverbot-Regime steht, lässt Kassensturz Olivenöle sensorisch prüfen, im Wissen, dass die Verkoster im Panel über eine längere Dauer im selben Raum sitzen müssen, dabei schlürfen, schlucken, räuspern und husten. Geht es noch dämlicher? Ja, es geht. Man führt die Verkostung - abweichend vom Standard - einfach bei den Prüfern zu Hause durch. Unter unkontrollierten und unkontrollierbaren Bedingungen.
Anfängerfehler des Kassensturz, die so nie passieren dürften
Das ist aber nicht die einzige Unzulänglichkeit, die sich die zuständige SRF-Kassensturz-Redaktion im Zusammenhang mit der Königsdisziplin "Olivenöltest" zu Schulden kommen lässt. Natürlich werden wir von evoo.expert von unseren Handelspartnern darüber informiert, wenn die von uns vertriebenen Olivenöle von Konsumentenmagazinen oder aber von Behörden oder anderweitigen Institutionen getestet wurden und die entsprechenden Ergebnisse der Prüfungen vorliegen. Kassensturz informiert die Detailhändler in einer E-Mail über die vom Schweizer Olivenöl Panel ermittelten Ergebnisse. Demnach werde für das Testurteil die "Harmonie & Dauerhaftigkeit" herangezogen und es sei folgende Abstufung vorgesehen:
ausgezeichnet = 7,5 bis 10 sehr gut = 6,5 bis 7,4 gut = 5,5 bis 6,4 genügend = 4,5 bis 5,4 ungenügend = 3,5 bis 4,4 unter 3,5 = schlecht wenn fehlerhaft = fehlerhaft
Im E-Mail-Anhang erhalten die Händler die entsprechenden sie betreffenden Prüfberichte des Schweizer Olivenöl Panels. Unvollständig. Wichtiges weggefiltert. Nein, so funktioniert das Filtern nicht, Kassensturz. Wenn sich Kassensturz schon für den Weg entscheidet, die Prüfberichte den betroffenen Unternehmen zuzustellen, dann sollten diese in ihrer Ganzheit gesendet werden. Kassensturz zog es - aus unerklärlichen Gründen - aber vor, nur eine einzige von total vier Seiten zu senden und filterte so, wahrscheinlich ungewollt, weil womöglich der Sachverstand fehlt, relevante Informationen weg.
AN DIESER STELLE WURDE DER BLOG KURZFRISTIG VERÄNDERT - DER ABGEBILDETE PRÜFBERICHT DES SCHWEIZER OLIVENÖL PANELS WURDE ENTFERNT.*
Kassensturz schreibt ja selber, dass für das Testurteil die "Harmonie & Dauerhaftigkeit" herangezogen werde. Dieser Wert ist auf der ersten Seite des Prüfberichtes zwar ersichtlich, da es sich bei diesem Wert allerdings um einen Mittelwert von zwei Werten, nämlich 1. der Harmonie und 2. der Dauerhaftigkeit, handelt, kann der Leser dieser ersten Seite des Prüfberichts nicht nachvollziehen, mit welchen beiden Einzelwerten der Mittelwert errechnet wurde. Das ist aber notwendig, damit der Leser oder Betroffene den Sachverhalt versteht. Schlussendlich wird die "Gesamtqualität" des Olivenöls ja durch diesen für Kassensturz entscheidenden inoffiziellen und rein subjektiven Parameter gemessen.
Zur Veröffentlichung dieses Viertels des Prüfberichtes, der ja in Teilen oder im Ganzen das von evoo.expert gehandelte Olivenöl Oro Bailén Picual betrifft, gilt es, zu sagen, dass das mir eigentlich nicht erlaubt wäre. So steht es zumindest zu unterst auf der ersten Seite des vierseitigen Prüfberichtes. Die Prüfstelle Schweizer Olivenöl Panel schreibt: «Dieser Prüfbereicht bezieht sich ausschliesslich auf die getestete Probe / Lotnummer und darf weder im Ganzen noch in Auszügen, ohne eine vorherige schriftliche Genehmigung der Prüfstelle, veröffentlicht und/oder vervielfältigt werden.»
«Dabei ist mit dem wenig löblichen Prädikat "schlecht" noch nicht einmal die unterste Stufe der Kassensturz- Klassifizierung erreicht. Nein, es geht noch tiefer. Noch schlechter, noch abscheulicher. Die unterste Stufe ist für die fehlerhaften Öle reserviert. Das ist absurd.»
- Silvan Brun, evoo.expert
Kassensturz-Redaktor über Brun: «Dä Siech macht mir das Leben schwer. Das Problem ist, dass er recht hat.»
Nun, obschon das Testresultat eigentlich keinen Anlass zum Streit geben würde - immerhin hat das Olivenöl Oro Bailén Picual mit einem Mittelwert der "Harmonie & Dauerhaftigkeit" von 7.0 als sehr gut abgeschlossen und dürfte damit womöglich in den vorderen Rängen platziert sein - will ich es darauf ankommen lassen. Schliesslich hält der Prüfbericht aus juristischer Sicht auch nicht das, was er verspricht. Und, es betrifft auch nicht irgendein fremdes Drittöl, sondern ein Öl, das von evoo ag gehandelt wird. Auf Anfrage, ob ich den Prüfbericht veröffentlichen dürfe, schreibt mir Frau Bongartz freundlich, dass «der Prüfbericht über ein Olivenöl, welches durch das Schweizer Olivenöl Panel (SOP) der ZHAW evaluiert wurde, zu 100% Eigentum des Auftraggebers» sei. Im von mir «beschrieben Fall wäre das demnach das SRF / Kassensturz». Und, Kassensturz frage ich nicht an. Nein. Zumal die ISO-Norm 17025:2017 auch etwas ganz anderes vorschreibt. In der Norm heisst es lediglich: «Die Aufnahme einer Aussage, dass der Bericht ohne die Zustimmung des Laboratoriums nicht auszugsweise vervielfältigt werden darf, kann sicherstellen, dass Teile eines Berichts nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.» Streng genommen dürfte ich also den Bericht veröffentlichen - ganz legal, solange ich nichts aus dem Zusammenhang reisse. Kassensturz reagierte trotzdem und machte an allen Fronten Druck, forderte, dass der Prüfbericht von der Website verschwindet, ohne dabei aber den Sachverhalt zu kennen. Ziemlich übel, was die Menschen vom Kassensturz da fabrizieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass Kassensturz mir gegenüber unsauber spielt. Er tat es bereits 2016 und 2019. Im letzten September, als ich Kassensturz wegen des damals geplanten Olivenöltests "belagerte" und in Funktion des Präsidenten von IOF eine Kooperation vorschlug, dem Kassensturz anbot, IOF-Resultate kostenfrei veröffentlichen zu dürfen, schickte ein Redaktor eine E-Mail an mich, die eigentlich für seinen Kollegen oder seine Kollegin gedacht gewesen wäre: «Dä Siech macht mir das Leben weiterhin schwer. Das Problem ist, dass er recht hat. Sorry für die Belästigung, du hast ja wirklich schon genug um die Ohren.» Zeigt das in etwa den Charakter der Kassensturz-Redaktion? Oder ist es bloss ein Redaktor, der irgendwie macht, was er will? Abgewimmelt wurde die gute Initiative, die dem SRF viel Geld, Aufwand und Ärger erspart hätte. Mittlerweile wissen wir, dass sich das SRF wieder einmal mehr für einen Test mit dem Schweizer Olivenöl Panel entschieden hat. Und das Testdesign ist eine Bankrotterklärung an die geltende Verordnung und aber auch an die Vernunft.
Wie soll an Heimprüfplätzen unter einheitlichen Bedingungen geprüft werden? Einer prüft das Öl am Montag, ein anderer am Mittwoch und wieder ein anderer Freitagnacht. Auch deshalb gibt das Schweizer Olivenöl Panel im Prüfbericht nicht einen fixen Tag als Prüfzeitpunkt, sondern eine ganze Woche (KW 19.2020) an. Jeder verkostet ein bisschen so, wie er es gut findet. Random. Ganz ehrlich, dürfen die TV-Zuschauer einen solchen Test ernst nehmen? Oder anders gefragt, darf ein solcher Test überhaupt erst in Auftrag gegeben werden? Das ist an Absurdität ja kaum zu überbieten. Immerhin sprechen wir hier nicht von einer Hobbyverkostung unter Freunden, sondern für einen Test für Kassensturz, der weitreichende Konsequenzen haben wird.
*WAS WURDE AM BLOG SEIT ERSTVERÖFFENTLICHUNG VERÄNDERT
Der Blog wurde kurzfristig verändert. Kassensturz forderte an allen Fronten, dass der Prüfbericht von der Webseite entfernt wird. Eigentlich gäbe es aus rechtlicher Sicht dazu keinen Anlass, hat Kassensturz doch mit dem Teilen der Prüfberichte an die Detailhändler selbst für eine Veröffentlichung gesorgt.
Ich bin es gewohnt, dass Prüfberichte üblicherweise folgende Copyright-Formulierung verwenden: «Jede Veröffentlichung dieses Berichts bedarf einer schriftlichen Genehmigung. Eine auszugsweise Veröffentlichung ist nicht gestattet.» Beim Bericht des SOP lese ich allerdings den folgenden Disclaimer: «Dieser Prüfbereicht bezieht sich ausschliesslich auf die getestete Probe / Lotnummer und darf weder im Ganzen noch in Auszügen, ohne eine vorherige schriftliche Genehmigung der Prüfstelle, veröffentlicht und/oder vervielfältigt werden.»
Die Norm EN ISO/IEC 17025:2017 sagt dazu in der Anmerkung unter Paragraph 7.8.2.1 jedoch Folgendes: «Die Aufnahme einer Aussage, dass der Bericht ohne die Zustimmung des Laboratoriums nicht auszugsweise vervielfältigt werden darf, kann sicherstellen, dass Teile eines Berichts nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.» Insofern kann festgehalten werden, dass die vom SOP gewählte Formulierung nicht der entsprechenden ISO-Norm, wonach das SOP zu operieren vorgibt, entspricht. Zudem müsste dem Kassensturz eine schriftliche Bestätigung des SOP vorliegen, die bestätigt, dass Kassensturz den Prüfbericht vervielfältigen und teilen darf. Denn die Prüfberichte vervielfältigt, ja das hat Kassensturz zweifelsohne gemacht, als er die Prüfberichte an die betroffenen Detailhändler gesendet hat. Demnach hat Kassensturz eine eindeutige Willensäusserung zur Veröffentlichung des Prüfberichtes gemacht.
Weil es mir jedoch wichtig ist, dass die Meinungsverschiedenheit zwischen Kassensturz und mir nicht auf dem Rücken von meinen Geschäftspartnern ausgetragen wird, die weder Schuld am dilettantischen Vorgehen des Kassensturz noch für die Veröffentlichung des Prüfberichtes durch mich verantwortlich gemacht werden können, habe ich mich nach Absprachen dazu entschieden, den Prüfbericht vorübergehend zu entfernen. An den geschriebenen Tatsachen ändert das aber nichts. Und, ich weise darauf hin, dass das vorübergehende Entfernen des Prüfberichtes aus diesem Blog in keinster Weise eine Schuldanerkennung ist.
Schlechtes Extra Vergine Olivenöl? Im Kassensturz-Test ist das möglich
Während Oro Bailén Picual mit "sehr gut" abschnitt, dürften sich womöglich andere betroffene Unternehmen über die durch das Schweizer Olivenöl Panel ermittelten Resultate weniger erfreulich zeigen. Olivenöle, die beim Mittelwert "Harmonie & Dauerhaftigkeit" weniger als 4.5 Punkte erzielten, gelten als "ungenügend", so schreibt es der Kassensturz. Unter 3.5 Punkten gar als "schlecht". Dabei ist mit dem wenig löblichen Prädikat "schlecht" noch nicht einmal die unterste Stufe der Klassifizierung erreicht. Nein, es geht noch tiefer. Noch schlechter, noch abscheulicher. Die letzte Stufe der von Kassensturz kommunizierten Klassifizierung ist für die fehlerhaften Olivenöle reserviert. Richtig gelesen. Aber ich wiederhole es an dieser Stelle noch einmal, weil ich es beim Eintippen selber kaum glauben kann. Die letzte Stufe der von Kassensturz kommunizierten Klassifizierung, die der untersten, schlechtesten Stufe entspricht und somit die noch schlechteren, als die ohnehin schon "schlechten" Olivenöle, vereint, ist für die fehlerhaften Olivenöle reserviert. Das ist absurd. Das ist Kassensturz' Massstab. Das ist kassensturzmässig. Das ist gar dilettantisch. Fernab rechtlicher Grundlagen einerseits und fernab von jeglicher Logik andererseits. Will man die Konsumenten, die TV-Zuschauer, die für dieses Programm ja immer noch ziemlich viel Geld bezahlen - auch wenn es dieses Jahr Corona-bedingt zu Preissenkungen kommen wird - für dumm verkaufen? Oder aber ist man auf den "Trick", die lustige Erfindung "Harmony Value" von Bongartz et al. reingefallen?
Wie kann ein Olivenöl, das schlecht ist, fehlerfrei sprich Extra Vergine sein? Wie ist das möglich? Schlecht, dieses Adjektiv, assozieren wir mit Dingen, die minderwertig sind, Mängel aufweisen oder ungenügend in der Qualität sind. Ein Blick in den digitalen Duden bestätigt das.
Wir wissen, dass Extra Vergine Olivenöle die "erste Güteklasse" der Olivenöle darstellen. So steht es in der Verordnung, auf die sich das Schweizer Olivenöl Panel in seinen Prüfberichten bezieht, und so steht es auch in der Verordnung des EDI über Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Pilze und Speisesalz (VLpH) 817.022.17.
Die Unterteilung der Olivenöle in die verschiedenen Güteklassen erfolgt mittels der Interpretation der Resultate aus der chemischen und sensorischen Analyse für "native Olivenöle" sowie der chemischen Analyse von behandelten Olivenölen. Demnach muss ein Olivenöl, welches in die erste Güteklasse zugeteilt werden soll, sowohl die chemisch analytischen als auch die sensorischen Anforderung der entsprechenden Güteklasse erfüllen. Im Falle der sensorischen Analyse bedeutet das, dass das Olivenöl eine in der entsprechenden Verordnung definierte Fruchtigkeit aufweisen muss, die grösser resp. stärker wahrnehmbar ist als 0 (0 = nichts). Hinzu kommt nun, dass das Olivenöl keine sensorisch wahrnehmbaren Mängel, die in der Verordnung ebenfalls definiert sind, aufweisen darf (= 0).
Hat das Olivenöl hingegen einen leichten wahrnehmbaren sensorischen Mangel, gilt es nicht als Extra Vergine und kann somit nicht der ersten Güteklasse zugeordnet werden. Es wird bei leicht wahrnehmbaren Mängeln (bis 3.5 von 10) in die nächst tiefere Kategorie "Vergine" eingeteilt. Als schlecht gilt das Olivenöle deswegen aber nicht. Es reicht bloss nicht für die erste Güteklasse. Bei stärker wahrnehmbaren Mängeln wird das Öl in die Kategorie "Lampante" eingeteilt. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass ein Olivenöl mit leicht wahrnehmbaren sensorischen Mängeln die Anforderungen für Extra Vergine nicht erfüllt und für die erste Güteklasse als ungenügend gilt. Ohne wahrnehmbare Fehler, dafür mit wahrnehmbarer Fruchtigkeit gilt das Olivenöl hingegen als Extra Vergine.
Kassensturz jedoch orientiert die betroffenen Detailhändler, dass Extra Vergine Olivenöle unter anderem mit oder als "schlecht" bewertet werden können. "Genügend" seien Extra Vergine Olivenöle, die mindestens einen Wert in "Harmonie & Dauerhaftigkeit" von 4.5 Punkten haben. Ungenügend seien Extra Vergine Olivenöle mit einem H&D-Wert von 3.5-4.4 Punkten. Und, Kassensturz schient das mit voller Ernsthaftigkeit auch noch selber zu glauben.
Willkürliche Beeinflussung des Marktes
Publiziert Kassensturz diese Resultate tatsächlich so, wie er es vorgegeben hat, zu tun, nimmt er damit eine rechtlich nicht zulässige Beeinflussung der Konsumenten und somit des Marktes in Kauf. Denn, alle Olivenöle, die als Extra Vergine bestätigt werden, gelten, sofern die Resultate in einem Panel unter den dafür vorgesehenen Voraussetzungen - was beim Schweizer Olivenöl Panel nicht der Fall war - ermittelt wurden, als sehr gut und können aus gesetzlicher Sicht qualitativ nicht weiter unterteilt werden. Die höchste Zulässigkeit wäre da noch, die Öle - wieder im Einklang mit der Verordnung - in die Kategorien leichte Fruchtigkeit, mittlere Fruchtigkeit und intensive Fruchtigkeit zu untereilen. Gleich verhält es sich mit den zwei weiteren positiven Attributen "Bitterkeit" und "Schärfe". Auch hier kann eine Unterteilung in "leichte Bitterkeit/Schärfe", "mittlere Bitterkeit/Schärfe" und "intensive Bitterkeit/Schärfe" vorgenommen werden. Zudem können die Öle noch in "grüne Fruchtigkeit" und "reife Fruchtigkeit" unterteilt werden. Man kann sogar noch die "milden" Öle separieren. Das ist dann der Fall, wenn der Median des Attributs "bitter" und der Median des Attributs "scharf" nicht grösser als 2.0 sind, was anzeigt, dass die Öle nicht wirklich scharf und nicht wirklich bitter sind. Und, als wäre das nicht genug, kennt der Gesetzgeber auch noch eine Gruppierung für "ausgewogene" Olivenöle. Der Median des Attributs "bitter" und der Median des Attributs "scharf" dürfen in diesem Fall nicht mehr als 2.0 Punkte grösser als der Median des Attributs "fruchtig" sein. Das alles hätte Kassensturz übrigens hier nachlesen können: DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2019/1604 DER KOMMISSION vom 27. September 2019 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 über die Merkmale von Olivenölen und Oliventresterölen sowie die Verfahren zu ihrer Bestimmung. «Dä Siech» wird man sich im Leutschenbach sagen.
So viele Unterteilungsmöglichkeiten hätten sich Kassensturz geboten, aber stattdessen entscheidet sich Kassensturz für "Harmonie & Dauerhaftigkeit". Für einen erfundenen Parameter, der nicht dienlich ist.
Filtern Sie's weg
Das Einzige, was die Glaubwürdigkeit des Kassensturz jetzt noch retten kann, ist, von der Veröffentlichung der durch das Schweizer Olivenöl Panel ermittelten Testresultate abzusehen. Für das Schweizer Olivenöl Panel hingegen habe ich - egal ob die Ausstrahlung erfolgt oder nicht - wenig Hoffnung. Kassensturz hat in meinen Augen dilettantisch gehandelt. Gebührengelder verschleudert. Und, in Kauf genommen, die Konsumenten in die Irre zu führen. Nun gut, sie sind ja keine Olivenölprofis im Leutschenbach. Wer will das ihnen also übel nehmen? Vom Schweizer Olivenöl Panel allerdings, ja, von dem dürfte und müsste man mehr erwarten. Aber eben. Manchmal ist es gescheiter, keine Erwartungen zu haben. Denn, wer keine Erwartungen hat, kann auch nicht enttäuscht werden. Wie gut wir das alle wissen.
Ja, der Kassensturz beherrscht die Abschlussdisziplin der Olivenölproduktion, die Filtration, nicht. Sonst hätte er merken müssen, dass das, was er da mit dem Schweizer Olivenöl Panel fabriziert, nicht gut ist. Im feinmaschigen Filtrationsnetz wäre alles Dilettantische, Unsachliche, Unbrauchbare und Unhaltbare hängen geblieben. Wegschütten hätte er die Resultate der laienhaften Arbeit aus dem Schloss Grüental zu Wädenswil folglich müssen. Noch ist die Sendung ja nicht ausgestrahlt. Noch kann die Filtration rettend wirken. Obschon sich das Gebührengeld für die Erstellung dieses TV-Beitrages bereits in Rauch aufgelöst hat. Wie das nicht russfreie, ölsäurearme tunesische Olivenöl, mit dem früher die Öllampen gespiesen wurden.
Sie sehen, das Filtern von Olivenöl und Nachrichten, diese beiden eigentlich völlig unterschiedlichen Vorgänge haben eben doch mehr gemeinsam, als wir denken, insbesondere dann, wenn wir die beiden Begriffe Olivenöl und Nachrichten in Beziehung zueinander setzen. Es gibt zu viele Menschen, die das Falsche tun und es dennoch für das Richtige halten, insbesondere beim Olivenöl. Zu erkennen, wer Teil des Problems und wer allenfalls Teil der Lösung ist, ist elementar. Schliesslich geht es darum, den Olivenölmarkt für die Konsumenten sicherer zu machen, Betrug aufzudecken und anzuzeigen. Deshalb gilt: Behalten Sie's bei, filtern Sie Unwesentliches einfach weg.
Ihr Silvan Brun
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