Gepanschtes und gefälschtes Olivenöl in Altersheimen: 38 Gemeinden vom Betrug betroffen!
- Silvan Brun
- 31. Juli
- 9 Min. Lesezeit

Im süditalienischen Apulien haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Altersheime, Schulkantinen und Kindergärten mit gefälschtem Olivenöl gekocht. Insgesamt sind in der Provinz Lecce 38 Gemeinden von diesem Lebensmittelbetrug betroffen, wie RAI News am 26. Juli 2025 berichtete. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler sollen alleine in den Jahren 2023 und 2024 rund 38 Tonnen des für den Verzehr nicht geeigneten Ölgemischs in Verkehr gebracht worden sein, was auf einen systematischen Betrug schliessen lässt. Damit ist Italien nicht alleine. Handel mit gefälschtem Olivenöl findet auch nördlich der Alpen statt, wie Behördenberichte zeigen.
Francesco Lollobrigida, im Kabinett von Giorgia Meloni zuständiger Minister für Landwirtschaft und Ernährungssouveränität, sprach von einem "unerträglichen Betrug". In sozialen Medien mahnte er, dass es «keine Toleranz gegenüber denjenigen, die die Gesundheit der Bürger – insbesondere der Schwächsten – gefährden», gebe.
Die zuständige Staatsanwaltschaft hat inzwischen die Voruntersuchungen abgeschlossen. Im Fokus der Ermittlungen stehen drei Personen – zwei Unternehmer aus Salento und einer aus Kalabrien – sowie eine Kapitalgesellschaft. Die Vorwürfe umfassen Betrug bei öffentlichen Lieferungen und im Handel, Verkauf von nicht echten Lebensmitteln als echt sowie Fälschung geografischer Herkunftsangaben von Agrarprodukten.
Was war genau passiert?
Die Ermittlungen wurden durch zwei Beschlagnahmungen ausgelöst, die in den Provinzen Lecce und Reggio Calabria stattfanden. Dabei wurden einerseits eine Abfüllanlage für Öl und andererseits rund 6'000 Liter vermeintliches "natives Olivenöl extra" sichergestellt, das sich laut Analyse durch die Behörden jedoch als Mischung aus Sonnenblumenöl und nicht verzehrfägigem Lampantöl herausstellte.
In der Folge dieser Erkenntnis konnten die Behörden die Warenströme und Geldflüsse nachvollziehen und stiessen dabei auf ein Unternehmen namens La Fenice srl mit Sitz in Galatone (Lecce). Dieses Unternehmen, das gewerbliche Catering- und Gemeinschaftsverpflegungsdienste anbietet, kaufte demnach für einen absurd niedrigen Preis von 2.50 Euro pro Liter vermeintlich natives Olivenöl extra – angeblich in Teilen sogar in Bio-Qualität – ein. Extrem niedrige Warenkosten ermöglichten es dem Unternehmen, zahlreiche öffentliche Ausschreibungen für Verpflegungsdienste zu gewinnen.
Die Guardia di Finanza Gallipoli überprüfte in diesem Zusammenhang die Verträge der 38 betroffenen Gemeinden, die in den letzten Jahren die Firma La Fenice srl mit der Verpflegung in Kindergärten, Grundschulen und Seniorenheimen beauftragt hatten. Dabei kam ein raffiniertes und über Jahre eingespieltes System zum Vorschein, das auf systematischen Betrug bei öffentlichen Ausschreibungen und Handelsgeschäften ausgerichtet war.
Die Ermittlungen ergaben, dass in den 25 von der Firma betriebenen Küchenzentren durchgängig dieses minderwertige und illegale Ölgemisch verwendet wurde – in klarem Widerspruch zu den Vertragsbedingungen, die ausdrücklich biologisches natives Olivenöl extra vorschrieben. In den Jahren 2023 und 2024 soll la Fenice srl so insgesamt 38 Tonnen gefälschtes Öl in den Vertrags-Mahlzeiten verarbeitet und so besonders gefährdeten Menschen verabreicht haben.
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Gemeinden könnten am Betrug mitschuldig oder gar beteiligt sein
Interessant ist in diesem Zusammenhang die von den italienischen Medien weitestgehend unbehandelte Tatsache, dass die Kommunen an diesem Skandal nicht unschuldig sein dürften. So haben dem fehlbaren Unternehmen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen unter anderem über eine vereinfachte Vergabeform Aufträge zugeschanzt. Bei der sogenannten procedura negoziata senza previa pubblicazione wird kein offizieller Ausschreibungstext veröffentlicht. Stattdessen lädt der öffentliche Auftraggeber – in diesem Fall die Kommune – ausgewählte Anbieter direkt zur Angebotsabgabe ein. Zulässig ist diese Form laut italienischem Vergaberecht unter anderem:
bei Notfällen (z. B. Naturkatastrophen),
bei besonders geringem Auftragsvolumen (unterhalb sogenannter Schwellenwerte),
wenn aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nur ein Anbieter infrage kommt,
oder wenn bereits einmal ein offenes Verfahren gescheitert ist (gara deserta).
Die Schwelle für solche Direktvergaben war in Italien in den letzten Jahren pandemiebedingt ausgeweitet worden. Nun scheint es so, dass diese Tatsache systematisch ausgenutzt wird.
In einem konkreten Fall aus dem Jahr 2024, der die Kommune Galatone selber betrifft, hat das Unternehmen La Fenice srl für rund eine halbe Million Euro (484'514.21 €) einen öffentlichen Auftrag für die Verpflegung von Kindern und Senioren ohne öffentlichen Wettbewerb erhalten. Das ist auch deshalb besonders brisant, weil das Unternehmen – das ist gut dokumentiert – bereits 2016 negative Schlagzeilen gemacht hatte. Damals kam es nach Schulkantinenverpflegung zu gesundheitlichen Beschwerden.
In einem anderen Fall – ebenfalls die Kommune Galatone betreffend und ebenfalls aus dem Jahr 2024 – kam es ausserdem gänzlich ohne öffentliche Ausschreibung zu einer Direktvergabe eines Auftrags, bei welchem der Nutzniesser wieder La Fenice srl hiess. Das Auftragsvolumen belief sich immerhin auf fast 117'000 Euro. Das "Affidamento diretto" ist also noch eine Stufe weniger transparent als eine "procedura negoziata senza previa pubblicazione".
Stöbert man auf der offiziellen Webseite der Kommune Galatone, findet man etliche solche zweifelhaften Auftragsvergaben an das Gemeinschaftsverpflegungsunternehmen La Fenice srl.

Nicht ausgeschlossen ist demnach, dass sich relevante Mitarbeiter der Kommunen über Kickbacks bezahlen liessen. Dazu machten die Ermittlungsbehörden aber noch keinerlei Angaben.
Gibt es gefälschtes Olivenöl auch in Altersheimen der Schweiz oder Deutschlands?
Es gehört vermutlich nicht zu unseren besten Tugenden, schnell mit dem Finger auf die Anderen zu zeigen. «Wir sind besser als die.» Und «bei uns ist das ganz anders», höre ich die Schweizer sagen. Gegenüber Italien oder Italienern werden wir ohnehin vorschnell etwas abschätzig. Natürlich kommt das nicht von ungefähr – die gut dokumentierte, bestens organisierte Kriminalität in Italien ist uns unter dem Begriff "Mafia" nur allzu bekannt. So ist dies ein Begriff, den vom Erstklässler bis zum Greis praktisch jeder kennt. Kein Wunder, die Mafia liefert den realen Stoff für so manchen fiktiven Thriller. Die Tentakel dieses Ungeheuers, das auch nicht vor Mord zurückschreckt, reichen bis in hohe Positionen von Kommunal-, Provinz-, Regional- und Landespolitik. Und ja, einige Zweige der Mafia nutzen – konsequenterweise, muss man schon fast sagen – auch die Nahrungsmittelfälschung als schier unerschöpfliche Geldquelle. Laut dem Agromafia-Report von Coldiretti & Eurispes kontrollieren mafiöse Gruppen im italienischen Agrar- und Lebensmittelsektor jährlich geschätzt 22 Milliarden Euro.
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Die Olivenölfälschung ist dabei eine der grossen Lebensmittelbetrugsdisziplinen, da sie sehr hohe Gewinnspannen ermöglicht. Gefälschtes Olivenöl "made in Italy" gelangte in der Vergangenheit durch den Gotthardtunnel immer wieder auch auf die Nordseite der Alpen. Nach Angaben aus internen EU-Kooperationsberichten (EU Agrocrime Cooperation Reports 2020–21), die in vertraulichen Journalistennetzwerken erwähnt und deren Inhalte von mehreren Journalisten als authentisch eingeschätzt wurden, soll ein deutscher Grosshändler aus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 als italienisches extra vergine deklariertes Olivenöl, das in Wirklichkeit eine Verschnittware aus Sonnenblumenöl und ungeniessbarem Lampantöl war, im grossen Stil an Abnehmer aus der Gastronomie verkauft haben. Allerdings wurde das Verfahren wegen angeblicher Formfehler bei der Beweissicherung eingestellt.
Auf Fremdölanteile im Olivenöl stiessen auch die Lebensmittelsicherheitsbehörden des Kantons Zürich im Rahmen einer Untersuchungskampagne aus dem Jahr 2024, die den Fokus auf Öle aus Tischmenagen von Gaststätten legte. Das Kantonale Labor Zürich schrieb dazu in seiner Mitteilung vom 12. Juni 2025: «Teilweise zeigte die Analyse, dass minderwertige Oliven zu Öl verarbeitet worden waren (3 Proben) oder dass Olivenöl mit anderen Pflanzenölen vermischt worden war (2 Proben). Insgesamt mussten 16 Öle (64 %) beanstandet werden.»
Wer heute in der Schweiz 8 Franken für einen Liter Olivenöl zahlt, erhält im besten Fall ein schlechtes Vergine-Olivenöl, im schlimmsten Fall aber ein Lampenöl oder gar einen Verschnitt aus Samenölen.
Man muss also gar nicht allzu lange suchen, um auf dokumentierte Betrugsfälle im Zusammenhang mit Olivenöl in Deutschland und der Schweiz zu stossen. Warum soll es hier anders sein als in Italien? Auch hierzulande gibt es Anbieter, die angebliches Olivenöl zu Spottpreisen anbieten. Und selbst grosse Handelshäuser – also Schweizer Marken, denen wir vertrauen, haben "Olivenöle" im Angebot, deren Preis der auf dem Etikett ausgegebenen Qualität eigentlich in höchstem Mass widerspricht. Damit schaffen und bedienen die Anbieter die Nachfrage.
8 Franken pro Liter "Extra Vergine" im Schweizer Altersheim
Fragen Sie in den Altersheimen ruhig nach, mit welchen Produkten gekocht wird. Jüngst erwähnte ein Küchenchef eines angesehenen Betagtenheims, dass er pro Bewohner und Tag maximal 15 Franken zur Verfügung habe. Mit drei Fünflibern muss er also "Zmorge", "Zmittag" und "Znacht" zubereiten. Diese krass engen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich der Mann mit der weissen Schürze keineswegs selber auferlegt. Diese werden ihm vorgegeben. Abgesegnet von Trägerstiftungen, deren Stifter häufig Einwohnergemeinden, manchmal Kirchengemeinden und weitere offizielle Institutionen sind.
Politiker, die im Stiftungsrat sitzen, entscheiden mittels Preiskorsett, indirekt darüber, wie und was jene Menschen, die uns grossgezogen und für allgemeinen Wohlstand gesorgt haben, im Altersheim essen. Dabei lassen sie sich diese Politiker gerne für ihr "nachhaltiges Wirtschaften" zitieren. Etwa mit: «Ich setze mich für eine verantwortungsbewusste, effiziente und nachhaltige Nutzung unserer Ressourcen ein.»
Im Einklang mit diesen Kostenvorgaben handelt der Küchenchef . Kein Wunder liess er mich schonungslos wissen, dass er einzig und alleine drei Prioritäten habe:
Budget einhalten
Budget einhalten
Budget einhalten
Und ausserdem – was noch viel verrückter ist: Er lege auf diesem Grund 90 Prozent Wert auf den Preis und 10 Prozent auf die Qualität. Das ist kein Witz, ich schreibe es, wie es ist. Wortwörtlich auslöffeln müssen die Suppe aber weder der Küchenchef noch die Stiftungsräte. Es sind die Schwächsten unserer Gesellschaft – betagte Menschen.
Wer heute in der Schweiz 8 Franken für einen Liter Olivenöl zahlt, erhält im besten Fall ein schlechtes Vergine-Olivenöl, im schlimmsten Fall aber ein Lampenöl oder gar einen Verschnitt aus Samenölen.
Was bedeutet Preis? Eine historische Betrachtung.
Das eingedeutschte Wort "Preis" ist dem Lateinischen "pretium" entlehnt und bedeutet nichts anderes als "Wert". Der "Wert" selber kann eine moralisch-sittliche oder eine materiell-sachliche Bedeutung haben. Und dann gibt es auch noch den Wert einer physikalischen Grösse, was im vorliegenden Zusammenhang aber nicht von Relevanz ist.
Bereits vor über einhundertachtzig Jahren war mit dem "Preis" im wirtschaftlichen Sinn allgemein jener Gegenwert gemeint, der für die Erlangung eines Gutes gegeben werden musste. Im Tauschverkehr war das insbesondere die Menge von Gütern und Leistungen, welche als Gegengabe gegen andere dienten.
Beim Naturaltausch, den es innerhalb der heutigen Wirtschaftsstrukturen – mit wenigen Ausnahmen – nicht mehr gibt, war damals jede der ausgetauschten Waren, beziehungsweise Leistungen, der Preis der anderen. In der Geldwirtschaft dagegen bildete damals wie heute die Summe des zu zahlenden Geldes den Preis des erkauften Gutes. Der Preis und somit der Wert einer Ware hängt ab von Angebot und Nachfrage und schwankt, je nachdem diese Faktoren sich ändern.
Da beim Tausch von Geld und Ware jede der beiden Parteien gewinnen, und keine verlieren will, wird es in jedem gegebenen Fall zwei Grenzen geben, über welche sich der Preis nicht hinausbewegt. Nämlich eine oberste und eine unterste.
Die oberste Grenze wird bestimmt durch den Wert, den der Nachfragende dem einzutauschenden Gegenstand überhaupt, und in Rücksicht auf sein verfügbares Vermögen, beilegt. Und die unterste Grenze wird definiert durch die Produktionskosten, die der Verkäufer wird ersetzt erhalten müssen.
In der Gesellschaft regelt sich der Preis durch die Konkurrenz, indem mehrere Käufer und Verkäufer einander gegenübertreten. Erstere werden ihren Bedarf an jenem Ort zu decken suchen, wo er am billigsten ist, und letztere ihre Ware am anderen Ort anzubringen sich bestreben, wo sie am höchsten bezahlt wird.
Entscheidend werden aber als unterste Grenze des Preises immer die Produktionskosten sein. Denn, der Preis kann nicht auf die Dauer unter die Produktionskosten sinken, da sonst die Produzenten Verluste erleiden und die Produktion einstellen oder einschränken müssen, was wieder eine Verminderung des Angebots und infolge ein Steigen der Preise bewirken würde.
Man pflegt, diesen die Produktionskosten einschliesslich Kapital- und Arbeitsaufwand deckenden Preis als natürlichen Preis zu bezeichnen, um den der Marktpreis – je nach den augenblicklichen Verhältnissen von Angebot und Nachfrage – zu schwanken pflegt.
Täuschungen über die Lage des Marktes, das offensichtlich zur Schau getragene Bestreben, bestimmte Güter zu erwerben oder zu veräussern, drängende Notlagen, Reklamezwecke, charitative Absichten und die Politik werden allerdings in vielen Fällen Preise bewirken, die nicht der wirklichen Marktlage entsprechen.
Materiellen oder immateriellen Dingen kann man aber auch einen moralisch-sittlichen Wert beimessen. Jeder kennt die Redewendung "sich des eigenen Wertes bewusst sein" – das ist eine moralisch-sittliche Bedeutung von Wert. Ebenso ist es moralisch-sittlich, wenn wir Wert auf eine gesunde Ernährung legen. Oder, wenn eine Freundschaft grossen Wert für uns hat. Es sind dies oft Werte, für welche wir kompromisslos einstehen! Diese moralisch-sittlichen Werte sind in der Regel nicht mit Geld aufzuwiegen.
Für eine reflektierte moralisch-sittliche Werthaltung braucht es jedoch ein gewisses Mass an Intelligenz, welches ich vielen auf der Erde wandelnden Menschen allerdings abspreche.
Die industrialisierten Länder betreffend leben wir heute, was die emotionale Intelligenz angeht, zweifelsohne in einer grösstenteils verwahrlosten Gesellschaft, in welcher es nur um die kurzfristige Befriedigung oberflächlicher Bedürfnisse geht. Man hält oft für wertvoll, was angesichts des wahren Lebens eigentlich völlig wertlos ist. Diese für wertvoll gehaltenen Dinge - egal ob fassbare Objekte oder unfassbare Gefühle oder auch nur schon das Scrollen auf dem Smartphone - belohnen das mesolimbische System, welches auf diese Höhepunkte mit der wechselseitigen Wirkung von Dopamin und Endorphinen reagiert. In der Folge will der Mensch mehr davon. Nicht umsonst spricht man von Kaufrausch oder von Handy-Sucht.
Sie sehen, ob man im apulischen Galatone oder in der Schweiz ins Altersheim zieht – fast überall geht es den Betreibern in erster Linie ums Geld und Bereicherung, nicht aber um das Wohl der Menschen. Kaum verwunderlich ist deshalb, dass der Betrug hier im Gleichschritt mitstapft. Irgendwer bezahlt nämlich die Preisdifferenz, die zwischen dem vermeintlich günstigen Produkt und demjenigen mit ordentlicher Qualität liegt, immer. Unglücklicherweise trifft es bloss meistens die Falschen.
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