evoo: Silvan, die Olivenbäume blühen bereits vielerorts und läuten den neuen Jahrgang ein, dabei sind wir mit den Gedanken eigentlich noch voll und ganz bei der 18er Ernte. Wie bist du mit der diesjährigen Olivenölqualität zufrieden?
Silvan: «Die Zeit vergeht wie im Flug, das stimmt. Nun, wenn man den italienischen Produzenten anrechnet, dass sie ein extrem schwieriges Jahr hinter sich haben, bin ich zufrieden. Natürlich gab es einige Totalausfälle und auch einige Öle aus Italien, die bei uns in diesem Jahr weniger punkten konnten als in anderen Jahren, aber so funktioniert einerseits die Natur und andererseits eben auch unsere Selektion. Wir setzen konsequent auf Qualität. Klar ist, dass es heuer viel Tolles aus Spanien gibt.»
Die Produzenten müssen sich bei evoo demnach jedes Jahr neu beweisen?
«Ja, dass müssen sie ausnahmslos. Egal, wie ihre Namen sind und egal auch, welche vertraglichen Verpflichtungen wir unsererseits mit den entsprechenden Produkten gegenüber unseren Kunden haben. So zeigen wir in diesem Jahr bei Manor Food drei Produkte nicht mehr und ersetzen sie gar teilweise. Auch bei lokalen Händlern haben wir in diesem Jahr einige Rochaden vorgenommen. Und nicht zuletzt finden auch unsere privaten Kunden ein stetig wechselndes Angebot auf evoo.expert vor. Das ist weltweit einzigartig und macht schlussendlich evoo ag aus.»
Dann setzt ihr ein grosses Verständnis von euren Kunden und Produzenten voraus?
«Nicht unbedingt. Im schlimmsten Fall stossen wir einer Partei oder auch mehreren damit vor den Kopf, wobei gerade grosse Kunden wie Manor Food oder aber auch kleinere Detailhändler wie G. Coldebella AG - Dorfplatz 9 aus Stans sehr qualitätsorientiert sind und verstanden haben, dass Olivenöle Naturprodukte sind, welche von Jahr zu Jahr qualitativen und quantitativen Schwankungen unterliegen können. Bei den Privatkunden gehen wir davon aus, dass diese gerade deswegen bei uns einkaufen, weil sie unsere Philosophie und das stetige Streben nach Qualität schätzen. Bei den Produzenten hingegen ist es manchmal etwas schwieriger, auf Verständnis zu stossen, was grundsätzlich nachvollziehbar ist.»
«Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden.»
Klar, weil sie einen Kunden verlieren..
«...oder dieser zumindest für ein Jahr die Abnahme aussetzt. Einige Produzenten sagen beispielsweise, dass wir als Händler die Verantwortung hätten, sie gerade in schlechteren Jahren zu unterstützen.»
Aber das tut ihr nicht?
«Doch. Weil wir bereit sind, in guten Jahren für gute Öle überdurchschnittliche Preise zu bezahlen. Wir drücken keinen einzigen Preis. Der vom Produzenten genannte Preis gilt. Insofern erfüllen wir unsere Verantwortung ihm gegenüber. Er muss seinerseits dafür sorgen, dass er mit guten Preisen in besseren Jahren die schlechteren Zeiten kompensieren kann. Wir haben unsererseits auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden und nicht zuletzt gegenüber den Endkonsumenten.»
evoo hat einen ehrlichen Weg gefunden, Öle der zweiten Qualitätsstufe auf den Markt zu bringen, hilft das den Produzenten in schwierigen Jahren?
«Wir waren in der Tat die Ersten, die ein offiziell als Vergine deklariertes Olivenöl bei einem namhaften Schweizer Detailhändler listen konnten. Missbräuchlich als Extra deklarierte Ware zweiter Güteklasse gab es hingegen schon seit Einführung der Olivenölverordnung. Wir und Manor hatten dank dem Entscheid, ein offizielles Vergine Olivenöl zu listen, unserem Produzenten die Chance gegeben, sein Basisöl in der Schweiz absetzen zu können. Und bald werden wir auch ein griechisches Olivenöl von GAEA in der Güteklasse Vergine bei Manor listen. Die Griechen hatten ein unglaublich schwieriges Jahr, und es bat sich uns diesbezüglich eine gute Möglichkeit, durch die Marke GAEA einigen Olivenbauern auf dem Peloponnes die Chance zu geben, Olivenöl in die Schweiz zu liefern.»
Viel Goodwill auf Seiten von Manor also?
«Ich weiss nicht, ob man das Goodwill nennen kann. Viel eher scheint es eine realistische Einschätzung des Olivenölmarktes zu sein. Wir arbeiten nun knapp drei Jahre mit Manor zusammen und in dieser Zeit hat Manor sicherlich viel über Olivenöl gelernt. Auf der anderen Seite gibt es meiner Ansicht nach aber auch bei Manor nach wie vor Olivenölpositionen, mit denen ich nicht viel anfangen kann. Noch dauert unser Projekt mit Manor an, weshalb ich zuversichtlich bin, dass wir helfen können, das Sortiment weiter zu verbessern.»
Darf man gegenüber einem so grossen Kunden seine Meinung auf derart offene Art und Weise kundtun?
«Ja, man muss das sogar so tun. Ehrlichkeit vor Geschäft. Nach dieser Devise arbeiten wir bei evoo. Und Manor schätzt das. Man darf übrigens nicht vergessen, dass Manor der erste grosse Verteiler ist, der sich einer Olivensortimentsbereinigung unterzogen hatte. Und dieser sind einige Gespräche vorausgegangenen, bei denen man mit Ehrlichkeit nicht gespart hatte.»
Wie ist denn der bisherige Kampagnenverlauf für evoo ag?
«Ganz ordentlich. Wir sind auf alle Fälle sehr zufrieden, zumal wir zum Vorjahreszeitraum um 33 Prozent zulegen konnten. Und weil bei uns das zweite Halbjahr tendenziell eher stärker ist, gehen wir heute von einem guten Jahr mit erneutem Wachstum aus. Exakte Prognosen sind für unser junges Unternehmen aber eher schwierig. Morgen schon kann sich alles zu unserem Vor-oder zu unserem Nachteil ändern.»
In wie fern?
«Wenn beispielsweise das positive Resultat eines Pitches ins Haus flattern oder aber ein wichtiger Kunde die Verträge kündigen würde. Wobei ich dem ersten Szenario die viel höhere Wahrscheinlichkeit beimesse.»
Steht Wegweisendes an?
«Ja. Wir sind seit einiger Zeit für drei grosse Projekte in Verhandlung, sollte eines davon realisiert werden, klettern wir auf die nächst höhere Stufe.»
«In diesem Verdrängungsmarkt wird nur ernst genommen, wer jemandem entscheidend hilft oder schadet.»
Nicht nur das Grosskundengeschäft ist ein wichtiger Pfeiler, wie du sagst.
«Das ist richtig, wir sind mittlerweile auch im Foodservice-Bereich gut unterwegs, was vor allem mit der Einführung eines integrierten IT-Systems und der Professionalisierung der Logistik zusammenhängt. Mit "heute bestellt, morgen geliefert" bedienen wir unsere Kunden mittlerweile schneller, als es die Grossverteiler tun. Und das immer bei Ambient-Temperatur (gekühlt). Zudem sehen wir in diesem Bereich viel Wachstumspotenzial. Noch gibt es so viele professionelle Küchen, die wir mit gutem Olivenöl ausrüsten können. Ich denke da an Heime und Spitäler aber auch an Hotels und Gemeinschaftsverpflegungen. Das gute ist, dass evoo nicht nur das bessere Öl, sondern auch das Know-How dazu liefert. Das ist einzigartig. Wir sind kein Kiosk, sondern ein absoluter Spezialist.»
Dann ist evoo zu einem ernst zu nehmenden Player in diesem Segment geworden?
«In diesem Verdrängungsmarkt wird man nur ernst genommen, wenn man jemandem entscheidend hilft oder schadet.»
Kannst du das erklären?
«Alle Hotels und alle Spitäler der Schweiz beziehen von irgendwem Olivenöl. Egal ob gutes oder schlechtes. Wenn wir eines dieser Häuser - aus welchen Gründen auch immer - für uns gewinnen, verliert ein anderer Zulieferer dieses Haus aus seinem Kundenportfolio. So kam es, dass bereits einige grössere Mitbewerber Kunden an uns verloren haben. Insofern schaden wir unseren Mitbewerbern, während wir dem neu gewonnenen Kunden helfen, bessere und sicherere Olivenölprodukte einzukaufen. Auch wenn wir ein vergleichsweise sehr kleiner Anbieter von Olivenöl sind, gehören wir zu den qualitativ besten und werden unterdessen auch von Mitbewerbern ernst genommen. Wenn es heute in irgendeinem Sitzungszimmer der Schweiz hinter verschlossenen Türen um Olivenölqualität geht, so bin ich sicher, dass dabei der Name evoo ag fallen wird.»
Haben Mitbewerber schon mal daran gedacht, mit evoo gemeinsame Sache zu machen?
«Ja. Wir haben uns diesbezüglich schon ein paar Mal mit Pistor unterhalten, mit welcher wir gerne zusammenarbeiten würden. Immerhin würde das vielen Pistorkunden den Weg ebnen, ohne administrative Extra-Aufwände evoo-Olivenöle kaufen zu können.»
Und?
«Noch besteht keine Zusammenarbeit. Aber immerhin bietet Pistor mit ihrem Pistor Plus-System ihren bestehenden Kunden die Möglichkeit, über Pistor von evoo ag Olivenöl zu bestellen. Das ist eine toller Service von Pistor, von dem nicht nur unsere Kunden, sondern auch wir profitieren.»
Das Foodservice-Geschäft läuft gut, bist du mit der Entwicklung des Privatkundengeschäftes ähnlich gut zufrieden?
«Als wir evoo ag gegründet hatten, wollten wir ausschliesslich Privatkunden beliefern. Wir hatten dann aber schnell gemerkt, dass uns das Geld wegbrennt. Heute führen wir zwar immer noch einen Webshop für die Privatkunden, jedoch ist es klar, dass wir von diesem nicht leben können. Trotzdem wollen wir moderat in diesen investieren und ihn weiter ausbauen. Wem das Bestellen von Olivenöl über den Online-Shop zuwider ist, dem bieten wir Alternativen via Manor, Globus, Jelmoli, Dorfplatz 9 oder ähnlichen Läden.»
Das Online-Food-Business gilt in der Schweiz generell als schwierig, gibt es überhaupt realistische Aussichten, dass evoo im Online-Bereich noch weiter wächst, zumal auch die Logistikkosten im Vergleich relativ hoch sind?
«evoo sieht sich im Onlinebereich tatsächlich mit einer grossen logistischen Herausforderung konfrontiert. Roland Brack sagte neulich in einem Interview mit der Luzerner Zeitung: "Eine Sechserpackung Mineralwasser per Post zu verschicken, ist nicht so einfach." Wir bei evoo versenden zerbrechliche Ware, die gut verpackt und vorsichtig geführt werden muss. Das ist grundsätzlich nicht anders als beim Wein. Doch besteht der Unterschied darin, dass selten jemand zwölf, vierundzwanzig oder sechsunddreissig Flaschen vom gleichen Olivenöl auf einmal bestellt, was die anteilsmässigen Logistikkosten pro Flasche natürlich massiv verringen würde. Der durchschnittliche Olivenölkonsum in der Schweiz ist mit 1.8 Litern erstens deutlich zu niedrig und zweitens kommt hinzu, dass wir einen Grossteil jener Konsumenten, die bei Migros, Coop, Aldi, Lidl und Co. einkaufen, eh nie erreichen werden. Unsere Privatkunden bestellen bei uns gerne drei, vier oder sechs unterschiedliche Olivenöle auf ein Mal, was entsprechend zu hohen Fulfilment-Kosten beim Logistiker führt. Weil die Flaschen unterschiedliche Formen, Höhen und Tiefen haben, müssen wir diese in Luftpolsterfolie in überdimensionierte, Glasbruch sichere Flaschenversandkartons packen. Mit diesen Herausforderungen sehen sich die wenigsten Weinhändler oder Online-Food-Stores, die weniger sensible Güter transportieren, konfrontiert. Wir müssen also den Jahreskonsum der Kunden massiv steigern oder die Logistikkosten für den Versand einer Flasche senken, damit diese einen akzeptablen Preis hat und dann auch gekauft wird. Deswegen ist Wachstum im online-Bereich für evoo nur bedingt möglich.»
Wie ist deine konkrete Prognose für den Online-Bereich von evoo?
«Sehr schwierig zu sagen. Wir möchten wie gesagt zwar gerne etwas wachsen und haben dazu nun auch personelle Vorkehrungen getroffen, ob wir die gesteckten Ziele erreichen können, kann ich im Moment allerdings nicht sagen. Funktionieren kann das auf jeden Fall nur, wenn diejenigen Kunden, die bei uns einkaufen, begeistert sind und es weitererzählen.»
Du hast mal zu sagen gepflegt, dass der Onlineshop die Visitenkarte evoos ist. Gilt das nicht mehr?
«Natürlich ist diese Visitenkarte nicht für alle unserer Zielgruppen gleichbedeutend. Ein kleiner Olivenöl-Online-Shop wird von grossen Marktteilnehmern und Detailhändlern nicht ernst genommen. Glücklicherweise haben wir unsere anderen Geschäftsfelder aber mittlerweile soweit ausgebaut, dass uns diejenigen heute kennen, die uns kennen müssen. Für unsere Privatkunden bleibt evoo.expert aber die Plattform, mit welcher diese mit uns kommunizieren können.»
evoo ag wurde im Januar vierjährig. Wo siehst du das Unternehmen in vier Jahren?
«Wir sind stolz darauf, es bis hierhin geschafft zu haben. Was wir tun, gibt uns ein gutes Gefühl. Wir tun die Dinge nicht des Geldes wegen, wir tun sie, weil wir aus tiefstem Herzen davon überzeugt sind. Gleichwohl sind wir natürlich dazu verpflichtet, Geld zu verdienen. Ich sehe evoo in vier Jahren deshalb als kleines KMU mit stets gleicher Identität, gleicher Philosophie und gleicher Liebe und Begeisterung zum Olivenöl, bloss mit deutlich mehr Marktdurchdringung. Wir haben uns eine gute Ausgangslage zurechtgelegt, haben Prozesse definiert und können nun ein gesundes Wachstum anstreben. Zudem wollen wir bis zu jenem Zeitpunkt einige grössere Beratungsprojekte in Erzeugerländern erfolgreich realisiert haben und wir möchten gemeinsam mit unseren deutschen Freunden von arteFakt Olivenöl mit unserer Olivenölakademie gut unterwegs sein. Denn bei der Bildung übers Olivenöl herrscht nach wie vor ein Notstand.»
Kannst du mehr zur Akademie sagen?
«Im Moment nicht, da wir diese erst planen. Was man aber wissen darf, ist, dass wir mit arteFakt zusammen enorm viel Olivenöl-Wissen bündeln und damit ein einzigartiges Schulungs- und Unterrichtskonzept auf die Beine stellen werden.»
Bei arteFakt hast du ja neulich bei der grössten Olivenölschule der Welt Bühnenluft geschnuppert.
«Ja, völlig unverhofft. Das war anlässlich der Olivenölabholtage von arteFakt in Wilstedt. Christoph Sippel hatte mich eine halbe Stunde vor der ersten geführten Verkostung mit 150 Personen gefragt, ob ich ihn auf der Bühne begleiten möchte. Ich konnte nicht widerstehen. Es hat auf alle Fälle grossen Spass gemacht und es war eindrücklich zu sehen, dass man an einem Tag 600 Leuten Dinge über Olivenöl mit auf den Weg geben kann, von denen sie zuvor noch nie gehört hatten. Das zeigt, wie gross das Potenzial für unsere Akademie ist.»
Zum Schluss ein tolles Frühlingsrezept?
«Ich liebe die einfache Küche. Frisches Gemüse vom Grill - es gibt noch Spargeln - mit etwas Burrata anrichten, Olivenöl und Meersalz. Das kann jeder. Ansonsten hat mich die Frühlingsküche des grössten Hotels der Schweiz - Starling in Genf - begeistert. Der Executive Chef Fabrizio Domilici hat tolle Köstlichkeiten auf der Karte. Und nicht nur das: Er verwendet beste Olivenöle.»
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